Interview von spring-reiter.de mit Europameister André Thieme zu verlockenden Angeboten für DSP Chakaria, wie sich das Leben als Europameister verändert hat, zum Imageproblem des Reitsports und welche Chancen er sich zusammen mit seinem Team am Sonntag im Nationpreis-Finale in Barcelona ausrechnet.
André Thieme ist gut drauf. Gerade hat der Europameister mit seinem Team die Qualifikation zum Nationenpreis-Finale in Barcelona gewonnen und der dreifache Derby-Sieger lieferte dabei mit seiner DSP Chakaria eine abwurffreie Runde mit nur einem Zeitfehler ab. So kann es weiter gehen. Wie hat sich sein Leben seit dem Europameister-Titel in Riesenbeck Anfang September verändert?
„Ich habe einen Tag nach dem Titelgewinn bei mir zu Hause schon die Hecke geschnitten, da war dann alles wieder Alltag. Es war alles wunderschön, wir haben am Abend eine tolle Feier gemacht. Später gab es dann noch eine richtig großes Fest mit 300 Leuten, Otto Becker und Jan Hein Swagemakers waren da und viele aus dem Springausschuss. Und gefühlt ganz Mecklenburg-Vorpommern“, lacht Andre Thieme. Aber das normale Leben hatte ihn schnell wieder. „Der Europameisterschaftstitel ist natürlich schön, aber am Ende ist nichts anders“, bringt es der Nationenpreisreiter auf den Punkt.
„Ich hatte so ein ganz klein wenig die Hoffnung, dass mir nach der gewonnenen Europameisterschaft auch ein paar ältere Pferde angeboten werden. Aber da hat sich am Ende nichts getan. Ich habe dafür sehr viele Anrufe von Turnierveranstaltern bekommen, die gerne wollen, dass ich komme“, fasst Thieme seine Situation zusammen. Aber die Veranstalter muss er größtenteils vertrösten. Denn DSP Chakaria soll nach dem Nationenpreis-Finale in Barcelona erst mal eine Pause bekommen, soll zwei bis drei Monate gar keine Sprünge machen. Und für die anderen Pferde wären die angebotenen Turniere derzeit nicht passend. Das heißt für den Mecklenburger auch turniertechnisch jetzt erst einmal runter zu schrauben. Er will in der nächsten Zeit auch wieder mehr zu Hause sein, nicht so viel herumreisen. Er hat viele neue, junge Pferde bekommen, um die er sich jetzt kümmern möchte. Sein nächstes Highlight wird, wie jedes Jahr, seine Amerika Tour nach Florida ab Januar, Februar sein. Dort hat er auch in diesem Jahr wieder den One-Million-Dollar Grand Prix gewonnen. Das darf sich gerne wiederholen.
Auf die Olympischen Spiele blickt der 46jährige mit gemischten Gefühlen zurück.
„Es war keine schöne Erfahrung, weil die Dinge in Tokio so waren, wie sie waren. Aber trotzdem war es eine Riesen-Erfahrung. Für mein Pferd und auch für mich war Tokio im Hinblick auf den Europameister-Titel der wichtigste Baustein. Die Dinge, die wir verändert haben, haben positiv eingeschlagen, und die Dinge, die in Tokio noch nicht ganz so liefen, haben dann in Riesenbeck geklappt.“
Viele, viele Angebote hat er seitdem für die Wunderstute DSP Chakaria bekommen, die nicht von wenigen mit der Weltmeisterstute DSP Alice von Simone Blum verglichen wird. „Wir müssen schon manchmal stark sein, diesen Angeboten zu wiederstehen“, gibt Andre Thieme zu. Und schiebt gleich hinterher: „Wir sind uns aber auch alle einig, dass es uns gut geht und dass Geld nicht alles ist. Wir wollen den Traum von Olympia jetzt auch noch weiterleben. Chakaria bleibt!“ In drei Jahren ist ja wieder Olympia in Paris und da hofft Andre Thieme, noch einmal mit DSP Chakaria dabei sein zu können. Das ist das erklärte Ziel.
Wenn André Thieme von seiner Chakaria spricht, die er, wie er selber sagt, so sehr liebt, wie seine Frau Corinna, kommt er ins Schwärmen und seine Augen strahlen: „Wenn kein Reiter auf ihr sitzt, ist sie immer total entspannt. Dann hat sie die Ruhe weg. Da könnte man fast denken, sie sei blutleer.“ Das Ganze dreht sich, wenn ein Reiter auf DSP Chakaria Platz nimmt. „Dann ist sie sofort unter Strom. Wenn ich nur ein wenig zu doll mit Mini-Sporen komme, ist es beinahe wie ein Stromschlag.“ Dieses Verhalten steigert sich noch mal, wenn die beiden die Sprünge anreiten. „Dann ist sie wie ein kleiner Feuerstuhl.“ Dann muss der dreifache Derby-Sieger aufpassen, dass sie sich nicht zu sehr aufregt, muss sie wieder beruhigen.
„Das ist das, was ich wirklich gut kann, Ruhe ausstrahlen“, lacht Andre Thieme und scherzt: „Die nicht so heißen Pferde schläfere ich grundsätzlich ein.“
Nach den unschönen Bildern aus Tokio und dem damit verbundenen Imageproblem des Reitsports musste sich auch André Thieme öffentlich öfter für seinen Springsport rechtfertigen, musste Stellung beziehen. „Dabei waren die unschönen Bilder hausgemacht, wurden sie z.B. durch das Weglassen des Streich-Ergebnisses provoziert“, findet Thieme.
Eine richtig gute Werbung für den Sport sei dagegen die Europameisterschaft in Riesenbeck gewesen. „Das war einfach auf jeder Ebene eine gelungene Veranstaltung,, alles hat perfekt zusammen gepasst. Nicht nur für mich mit meinem Ergebnis, sondern grundsätzlich mit dem wunderschönen Ambiente, den tollen Bildern und ganz viel Spannung. Das hat richtig Werbung für unseren Sport gemacht und wirklich Spaß gemacht.“ Gerne würde er die Kritiker des Sports mal zu sich einladen. Damit sie mal sehen können, wie gut es den Sportpferden geht, wie sehr sie verwöhnt, gehegt und gepflegt werden. „Viele unterschätzen einfach, was wir alles für unsere Pferde tun“, findet Thieme. Er ist überzeugt, es wäre auch keine Höchstleistungen möglich, wenn da nicht diese besondere und intensive Verbindung wäre. Natürlich gäbe es auch im Springsport schwarze Schafe, auf die man entsprechend reagieren müsse.
Und wie sieht er die Chancen des deutschen Teams im Nationenpreis-Finale in Barcelona am Sonntag nachdem die Mannschaft die Qualifikation gewonnen hat und daher nun als Favorit ins Rennen geht? „Da kann am Ende so viel passieren. Die anderen Teams sind auch stark, hatten im Qualifier vielleicht einfach nur etwas Pech. Da wendet sich das Blatt schnell. Trotzdem haben wir hier natürlich ein super starkes Team. Die Stimmung ist richtig, richtig gut. Das macht Spaß und passt sehr gut. Daher habe ich auch ein richtig gutes Gefühl.“
Spring-reiter.de drückt dem deutschen Team mit André Thieme, Daniel Deusser, Christian Ahlmann und David Will für das morgige Finale fest die Daumen!