Zum 1. Januar 2023 tritt für Turnierpferde in Deutschland die sogenannte Herpes-Impfpflicht in Kraft. Weshalb diese Pflicht sinnvoll ist, wovor die Impfung schützen kann und weshalb Pferdebesitzer keine Sorge vor Impfreaktionen haben müssen, erklärt Prof. Dr. Karsten Feige. Er ist Direktor der Klinik für Pferde an der TiHo Hannover und Vorsitzender des Arbeitskreises Pferd in der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet), die die Herpes-Impfung für alle Pferde empfiehlt.
Weshalb empfiehlt die StIKo Vet die Impfung gegen das Herpesvirus bei Pferden?
Prof. Dr. Karsten Feige: Die ständige Impfkommission empfiehlt Impfungen gegen Erkrankungen, die entweder sehr schwer verlaufen – ein Beispiel dafür wäre die Herpesvirus-Infektion – oder gegen Erkrankungen, von der sehr viele Pferde innerhalb einer Pferde-Population betroffen sind und die in der Folge sehr hohe wirtschaftliche Schäden verursachen. Das wäre zum Beispiel die Influenza. Pferde sollten grundsätzlich gegen Herpesvirus-Infektionen geimpft sein. Die Herpesvirus-Infektionen kommen zwar üblicherweise nur regional vor, aber sie können einen sehr schweren Verlauf nehmen. Etwa 20 bis 40 Prozent der Pferde, je nachdem, welches Virus ursächlich ist, können sogenannte neurologische Verlaufsformen durchmachen. Das heißt, es kommt zu Ausfallerscheinungen der Nerven, die Pferde leiden unter einer Ataxie, können Bewusstseinsstörungen und Gehirnnervenausfälle entwickeln und in der Folge sogar sterben. Dieser schwerwiegende Verlauf begründet die Impfempfehlung.
Vor welchen Folgen durch eine Herpesvirusinfektion kann die Impfung schützen?
Prof. Dr. Karsten Feige: Neben der neurologischen Verlaufsform kann es auch zu Aborten (Fehlgeburten, Anm. d. Red.) kommen. Das ist ein weiterer wesentlicher Grund für die Impfempfehlung. Aborte treten in der Regel in der Spätträchtigkeit auf, also im letzten Drittel der Trächtigkeit. Für die Stute ist es gar nicht so dramatisch, es verläuft üblicherweise wie eine Geburt, aber das Fohlen ist nicht lebensfähig. Hier kann in einem Zuchtbestand durchaus ein großer Anteil an Tieren betroffen sein, das sind zum Teil 50 Prozent der Pferde, oder noch mehr, sodass da insgesamt ein sehr großer emotionaler und wirtschaftlicher Schaden entsteht.
Die FN kann eine Impfpflicht über ihr Regelwerk nur für Turnierpferde einführen. Viele Freizeitpferde bleiben vielleicht ungeimpft. Weshalb macht die Impfpflicht für Turnierpferde trotzdem Sinn?
Prof. Dr. Karsten Feige: Der Transport zum Turnier, der Aufenthalt auf dem Turnier, der Kontakt mit anderen Pferden auf dem Turnier und schließlich die sportliche Belastung auf dem Turnier bedeuten Stress für das Immunsystem, sodass diese Pferde sehr schnell eine Herpesvirus-Infektion entwickeln können bzw. Herpesvirus ausscheiden können. Und dann stellen sie eine Gefahr für andere Pferde dar, die unter Umständen mit ihnen in Kontakt kommen. Das kann sowohl auf dem Turnier sein oder wenn sie in den Heimatstall zurückkommen. Aus dem Grund ist es wichtig, dass Turnierpferde unbedingt geimpft sein sollten. Die Impfung von Turnierpferden kann deshalb mindestens einen Beitrag leisten, dass die Ausbreitung der Erkrankung innerhalb einer Pferdepopulation minimiert wird. Grundsätzlich ist aber klar: Es sollten eigentlich alle Pferde und nicht nur die Turnierpferde geimpft sein. Die Impfung der Turnierpferde leistet aber mindestens einen Beitrag zu einer Verbesserung der Gesundheit der Pferdepopulation.
Kann die Impfung einem Pferd auch schaden? Mit welchen Folgen einer Impfung ist zu rechnen?
Prof. Dr. Karsten Feige: Grundsätzlich muss in der Folge einer Impfung unterschieden werden zwischen Impfreaktion und Nebenwirkung. Impfreaktionen können sein: eine Schwellung an der Injektionsstelle, Inappetenz (Appetitlosigkeit, Anm. d. Red.), Abgeschlagenheit über ein paar Tage, das kann auch mal zu Lahmheiten führen über wenige Tage, auch Fieber kann vorkommen. Aber diese Impfreaktion ist zu erwarten und grundsätzlich ein gutes Zeichen. Eine Impfreaktion heiß immer, dass sich der Körper mit der Impfung auseinandersetzt und einen Impfschutz aufbaut. Das ist also durchaus etwas Positives und diese Impfreaktion kann dann durchaus akzeptiert werden. Unterschieden werden davon müssen Nebenwirkungen. Dies kann auch eine Schwellung an der Injektionsstelle sein, die auch eitrig werden kann. Das ist dann eine echte Nebenwirkung. Das ist natürlich nicht gewünscht. Grund für solch eine eitrige Schwellung an der Injektionsstelle ist das Verbringen von Bakterien aus der Haut in die Muskulatur, also da, wo der Impfstoff wirken soll. Das kann im Einzelfall nicht verhindert werden bei der Impfung. Andere Nebenwirkungen sind Nesselfieber oder sogar eine Schockreaktion. Aber diese Nebenwirkungen sind ausgesprochen selten und können tatsächlich vernachlässigt werden.
Weiterführende Informationen:
Podcast „Herpesvirusinfektionen“ der Gesellschaft für Pferdemedizin (GPM):
https://open.spotify.com/episode/76M8IQ08d57BdDR6jtdL5f?si=058219e1e2b84b90
https://pferdemedizin-heute.podigee.io/1-neue-episode/embed?context=external
In dieser Folge spricht Professor Dr. Karsten Feige darüber, warum Herpes so gefährlich ist, welche Symptome typisch sind für diese Erkrankung und warum Impfungen des gesamten Bestands so wichtig sind. Es geht auch darum, wie es zu Herpesausbrüchen trotz Impfungen kommt und warum die Behandlung von Herpes ein Wettlauf gegen die Zeit werden kann. (fn-press)