Interview mit Gerrit Nieberg über seine Ruhe vor dem Sturm beim Weltcup-Finale in Leipzig

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Er weiß wie man pokert. Weil er das gerne in seiner Freizeit macht. Vielleicht hilft dieses Ass im Ärmel auch beim FEI World Cup Final an diesem Sonntag in Leipzig. Gerrit Nieberg hat mit Platz fünf im Gesamt-Ranking als bester deutscher mit seinem elfjährigen Westfalen-Wallach Ben (v. Sylvain) noch alle Chancen auf das Podium. Und das ist schon ein kleines Wunder. Auch, weil die Nummer 159 der aktuellen Weltrangliste im ersten Anlauf noch nicht qualifiziert war. spring-reiter.de hat den sympathischen Sohn des Mannschafts-Olympia-Gewinners (1996 u. 2000), Lars Nieberg, zum Interview getroffen.  

„Ich habe vor drei Wochen den Anruf bekommen, dass ich in Leipzig im Weltcup-Finale starten kann. Ich hatte Glück, dass ein paar von meinen Kollegen abgesagt haben, oder ein Pferd verkauft wurde. Zwei, drei Wochen lang war ich immer einen raus, habe lange gehofft, dass es noch klappt. Umso mehr habe ich mich dann gefreut, als der Anruf kam, dass ich bei meinem ersten Weltcup-Finale starten darf. Ich habe mich im Vorfeld riesig auf dieses Turnier gefreut“, erzählt der 28jährige, der am Samstag mit Blues D’Aveline CH Zweiter im Großen Sparkassen-Preis wurde.

Dabei lag eine Karriere im Springsattel lange nicht auf der Hand, zog er lieber Fußballschuhe als Reitstiefel an. „Wenn mein Vater im Fernsehen war und meine Mutter mir sagte, bleib mal hier, Papa kommt gleich, habe ich gesagt, du kannst mir ja später erzählen, wie er war“, schmunzelt Gerrit heute. „Das Interesse an den Pferden kam relativ spät. Ich habe erst so mit 13 Jahren angefangen zu reiten. Davor war mein Fokus beim Fußball, es hat sogar für ein DFB Stützpunkt gereicht“, erinnert sich Nieberg.

Bis sich das Blatt plötzlich wendete. Von einem Tag auf den anderen fing er mit dem Reiten an, vielleicht auch, weil der jüngere Bruder Max schon länger in den Sattel stieg. „Nach einer Woche sagte ich schon, ich will Bereiter werden“, lacht Gerrit Nieberg. Er hängte die Fußballschuhe an den Nagel und konzentrierte sich voll aufs Reiten. Wenn auch noch im normalen Rahmen. „Wir haben nie frei genommen von der Schule, um aufs Turnier zu fahren. Ich bin nie eine Deutsche Jugendmeisterschaft oder beim Preis der Besten geritten“, sagt Nieberg.

Nach der Schule machte er erst mal eine Lehre als Steuerfachangestellter. „Das war so der Deal, damit ich auch noch etwas Vernünftiges habe, falls es mit dem Reiten nicht so klappt. Und es ist auch nicht verkehrt, hier ein paar Einblicke zu haben“, lacht Nieberg augenzwinkernd. Anschließend absolvierte er noch eine Ausbildung zum Pferdewirt beim DOKR in Warendorf, krönte den Abschluss mit der bestandenen Meisterprüfung. Doch erst die Partnerschaft mit seinem Erfolgspferd, dem Holsteiner Hengst Contagio, öffnete ihm die Türen zum Großen Sport.  Mit ihm gewann er u.a. den Großen Preis in Frankfurt. Von da an ging es steil nach oben.

Auch mit der großen Unterstützung seines Vaters Lars. Zusammen sind sie auf dem Gestüt Gut Berl von Henrik Snoek angestellt, machen gemeinsam einen Turnierplan, haben mit Snoek zusammen ein paar gemeinsame Pferde.

Meist kommt der Vater mit zu den großen Events, gibt seinem Sohn wertvolle Tipps. „Das gibt natürlich eine enorme Sicherheit“, gesteht Gerrit Nieberg, der sich selbst als ruhig, bescheiden und zurückhaltend beschreibt. In diesem Jahr darf Nieberg auch bei der Global Champions Tour starten, reist durch die Welt. „Das ist genau dass, was ich will“, gesteht Nieberg. Seine Freundin begleitet ihm, „so oft es geht“.

Und er hat große Pläne. „Mein größtes Ziel in diesem Jahr ist die Weltmeisterschaft in Herning“, verrät Gerrit Nieberg. Er ist kein Träumer, weiß, dass dieses Ziel auch andere verfolgen. Aber er ist selbstbewusst genug, sein Stärken und die seines Pferdes einschätzen zu können. Auf dem Weg dahin stehen noch Stationen in St. Tropez, in Hamburg und Stockholm bei der Global Champions Tour an, Nationenpreise und natürlich Aachen als weiteres Ziel auf dem Weg. „Das kann natürlich nicht a, alles Ben machen, das wäre etwas zu viel. Zum Glück habe ich zwei Pferde, die auf diesem Level gehen können“, so Nieberg. „Am Ende muss natürlich die Leistung und die Form der Pferde stimmen. Und dann gucken wir, ob wir in dem engeren Kreis sind, die zur Auswahl stehen“, bringt er es sachlich auf den Punkt.

Und guckt, wie es seine Vorbilder machen, wie Daniel Deusser, den er bewundert. „Ich mag seine Art und Weise wie er reitet. Wie er mit den verschiedensten Pferden umgeht. Und seine Konstanz, die er in seinem System hat.“

Doch jetzt steht erst einmal das Weltcup-Finale in Leipzig an. Am Vormittag will er seinen Ben noch einmal locker reiten, bis es am Nachmittag in die große Leipziger Arena ins Finale geht. „Zum Glück werde ich nicht so schnell nervös, lasse ich mich nicht aus dem Konzept bringen. Reiten hat auch ganz viel mit dem Kopf zu tun. Wenn ich mir schon im Vorfeld zu viele Gedanken mache, was alles schief gehen kann, dann passiert es im Zweifel auch.“ 

Die Ruhe braucht er auch, um gegenüber seinem Ben, der im Parcours schon mal „übermotiviert“ sein kann, die nötige Ruhe auszustrahlen. Die Erfolge der letzten Wochen und Monate haben gezeigt, dass das gut klappt.  Bluffen muss Nieberg nicht und ein Pokerface braucht er hier auch nicht. Die Bilanz spricht für sich: „In den letzten zwölf internationalen Großen Preisen war er in elf platziert.“ Und das kann gerne auch im Weltcup Finale in Leipzig so weiter gehen.

spring-reiter.de drückt Gerrit Nieberg fest die Daumen!

Text und Interview: Corinna Philipps