Er ist wohl der einzige Reiter, der sich an Winston Churchill orientiert – an jenen legendären britischen Premierminister, der ein Großbritannien am Rande der Niederlage zum Verteidiger der westlichen Freiheit und zu einem der Sieger des Zweiten Weltkriegs formte. Peder Fredricson zitiert gerne eine Sentenz von Churchill, wenn es um seinen eigenen Erfolgsweg als Reiter geht: „Erfolg ist die Fähigkeit, sich von einem Misserfolg zum nächsten zu bewegen, ohne seinen Enthusiasmus zu verlieren.“
Aber, Peder Fredricsons Auftritt bei der Weltmeisterschaft in Herning zeigt genauso, dass Erfolg – gerade auch im Springreiten – sehr viel mit präziser Vorbereitung zu tun hat, die den Zufall weitgehend als Störfaktor ausschließt. Das beginnt schon auf dem Abreiteplatz, wo er immer in der gleichen Reihenfolge die präzise gleiche Anzahl an Aufwärm-Sprüngen absolviert.
Er betritt den Platz zum Parcours-Abgehen allein und bewegt sich dann wie in einem Tunnel – in Herning und bei jedem anderen großen Springen. Er hat vorher ganz genau den Parcours-Plan studiert und auf der Festplatte in seinem Kopf abgespeichert. In der linken Hand hält er einen kleinen Block und dann geht es los – so, wie er es sich nach dem Studium des Plans zurechtgelegt hatte. Jede Distanz wird noch einmal auf dem Zettel notiert.
Einmal geht es voll konzentriert den Weg so herum, wie er ihn reiten würde. Und dann geht es, ebenfalls immer, ein zweites Mal auf den Parcours. Wieder die Distanzen mit seinen Schritten abmessend. Es folgt ein Blick auf die Notizen – und wenn sich irgendeine Differenz ergibt, dann wird diese jeweilige Distanz zwischen zwei Sprüngen ein zweites, notfalls ein drittes Mal abgeschritten und bei Bedarf die Notiz auf dem Zettel korrigiert.
Tja, und nach zwei kommt drei. Noch ein drittes Mal, auch das ist für ihn ein festes Ritual, geht es auf dem für später geplanten Weg komplett herum, nach jeder Distanz abgeglichen mit den Notizen auf seinem weißen Zettel. Keiner kann ihn stören, nirgends ein Schwätzchen mit einem Kollgen. In seinem inneren Tunnel verlässt Peder Fredricson den Platz.
Es ist diese Ruhe und Präzision, die auf seinen ursprünglichen Beruf verweist, den er immer noch als Hobby pflegt. Denn der 50jährige Schwede ist gelernter Grafiker und gestaltet in seiner Freizeit unverändert Bilder, Logos und grafische Profile. Alles Tätigkeiten, die Kreativität, eine ruhige Hand, den Blick fürs Ganze und viel Präzision erfordern.
Er weiß, dass sein H&M All In, mit dem er im Stechen von Tokio den Schweden Olympisches Gold vor den USA sicherte, trotzdem kein Spezialist fürs Zeitspringen ist, mit dem jedes Championat traditionell eröffnet wird. So beendete er Tag eins in Herning als Vierter, am Ende des Donnerstag war er Dritter. Es geht so, wie er es schon vor einem Jahr als sein Motto bei der EM in Riesenbeck erklärte: „Ich werde so reiten, wie es für mein Pferd am besten ist, so schnell wie möglich, aber trotzdem entspannt, das ist das Wichtigste bei ihm. Letztendlich ist der erste Tag wichtig, man sollte nicht zu weit zurückliegen. Ich glaube aber, dass die Nullrunden, die hoffentlich danach kommen, mehr zählen. Mein Ziel ist es, so viele fehlerfreie Runden wie möglich zu springen, und am Ende sehen wir, wie weit uns das bringt.“
Und das, ebenfalls als Besonderheit im Top-Springreiten, barfuß. Nein, nicht der Reiter, sondern das Pferd. Peder Fredricson hat seine vierbeinigen Mitkämpfer von den Hufeisen befreit. Warum und wie das funktioniert, darüber gibt er in einer Gesprächsrunde am Rande der WM ausführlich Auskunft.