Über das CHIO Aachen-Gelände wurde Brianne Beerbaum schon im Kinderwagen geschoben. Von klein auf war sie dabei, wenn ihre Eltern in der Soers an den Start gegangen sind. Bei den Aachen Jumping Youngstars wird die 12-Jährige nun das erste Mal selbst auf dem traditionsreichen Turniergelände in den Sattel steigen. Ein Besuch bei den Beerbaums in Thedinghausen.
Es ist kalt an diesem Tag in Niedersachsen. Der Morgennebel lichtet sich und zaubert eine fast schon winterliche Kulisse auf die großzügige und akkurat eingezäunte Koppel. In deren Mitte kreist ein falbenfarbenes Pony, darauf sitzt ein junges Mädchen. Ohne Sattel, dafür aber mit einem herzlichen Lachen auf den Lippen. Freihändig galoppiert Brianne Beerbaum mit ihrem Magic über das satte Grün. Eine Wendung rechtsherum, eine nach links. Dann steigt sie ab und zeigt stolz, dass ihr Pony sich auf Kommando sogar verbeugen kann. „Meine Pferde sind meine Freunde“, erzählt die 12-Jährige. Das gilt nicht nur für den kleinen Magic, der sie seit sechs Jahre begleitet, sondern auch für ihre Sportpartner, mit denen sie schon fleißig nationale und internationale Erfolge im Parcours sammelt. Für Carlucci zum Beispiel, den imposanten Schimmel, den Brianne als ihren Lehrmeister bezeichnet. „Er weiß alles über das Springen, von ihm kann richtig viel lernen“, sagt sie über den 16-jährigen Holsteiner, der 2019 Mynou Diederichsmeier zum Titel bei den Deutschen Meisterschaften trug.
Der spielerische und freundschaftliche Umgang mit ihren Pferden kommt Brianne im Parcours zugute. „Sie hat eine ganz liebevolle Art, mit ihren Pferden umzugehen“, sagt Meredith Michaels-Beerbaum. „Die Pferde spüren das und geben ihr viel zurück.“ Das erlebt die 52-Jährige jeden Tag, wenn sie im Schatten ihres reetgedeckten Wohnhauses mit ihrer Tochter trainiert. Einst die erste Frau an der Spitze der Weltrangliste, hat die gebürtige US-Amerikanerin ihre eigene Karriere hintenangestellt, um ganz für Brianne da sein zu können. „Ich genieße diesen Wechsel in meinem Leben“, sagt die mit zahlreichen internationalen Medaillen dekorierte Springreiterin. „Die Entwicklung von Brianne mitzuerleben, ist genauso schön, wie es meine eigenen Erfolge waren.“
Dabei war es zunächst gar nicht klar, ob ihre Tochter überhaupt eine Reiterin werden möchte. „Als kleines Kind war sie sehr vorsichtig“, erinnert sich die Mutter. „Wir dachten, ihr fehlt zum Reiten der Mut.“ Falsch gedacht. Brianne, die schon im Kinderwagen mit ihren Eltern die Turnierplätze auf der ganzen Welt bereist hat, will reiten. Unbedingt. Spätestens als Springpony Wizard of Oz seine Box auf der heimischen Anlage in Thedinghausen bezieht, ist sie Feuer und Flamme. „Zu sehen, wie viel Freude Brianne mit ihren Pferden hat, macht uns unglaublich glücklich“, sagt Vater Markus Beerbaum, der seiner Tochter ganz viel Geschick und ein gutes Tempogefühl bescheinigt. „Und den Stil von der Mama“, fügt der 52-Jährige, der mit dem deutschen Team Welt- und Europameister wurde, schmunzelnd hinzu. In der Tat: „Viele sagen uns, Brianne sieht im Sattel aus wie eine Mini-Meredith“, so die stolze Mutter, der es ganz wichtig ist, dass ihre Tochter keinen Druck verspürt. „Wenn sie mit Spaß bei der Sache ist, kommt der Erfolg von ganz allein“, sagt die erfahrene Reiterin, während Brianne im Hintergrund ein paar kleine Sprünge macht.
Das gemeinsame Training absolvieren Mutter und Tochter in englischer Sprache. Brianne, die eine internationale Schule besucht und fließend zwischen den Sprachen wechseln kann, ist das so gewohnt. „Mit Mama zu trainieren, ist einfach super“, sagt die 12-Jährige, die in diesem Jahr erstmals bei den Deutschen Jugendmeisterschaften mit dabei gewesen ist. Und eine weitere, für die Familie Beerbaum ganz besondere Premiere steht kurz bevor: Am kommenden Wochenende wird Brianne ihren Lehrmeister Carlucci bei den Aachen Jumping Youngstars satteln. „Ich war schon so viele Male dort. Jetzt selbst in Aachen reiten zu dürfen – das ist wirklich ein Traum“, sagt Brianne, die dann sicher auch einen Blick ins legendäre Hauptstadion werfen wird. Jenen Ort, an dem ihre Eltern einst so unvergessliche Erfolge feiern durften. Klar, das auch die 12-Jährige große Ziele hat: „Irgendwann möchte ich den Rolex Grand Prix gewinnen“, sagt das junge Talent. „So wie Mama.“ Ein großer Traum eines kleinen Mädchens, das, bis es soweit ist, ganz bestimmt noch viele Male mit ihrem Magic über die Koppel galoppieren wird. Ganz spielerisch. Ohne Sattel. Und ohne Druck.
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