Er ist wieder da: Steve Guerdat. Nach zehn Jahren Hamburg Abstinenz ist der Olympia-Sieger von 2012 in London zurück am Start beim Hamburger Derby. Und er freut sich, beinahe wie ein kleines Kind, Gänsehaut-Momente inklusive.
„Ich war glaube ich, vor zehn Jahren zum letzten Mal hier. Seit es die Global League gibt, bin ich nicht mehr hier geritten“, erinnert sich der 40jährige. Wo andere auf hohe Gewinngelder schielen, hat Guerdat seine Prinzipien. Der dreifache Weltcup-Sieger lehnt das Konzept der Global Tour, wo ein Großteil der Startplätze verkauft werden, ab. Das hat nach seiner Sicht nichts mehr mit Sport zu tun.
Umso mehr freut sich der Schweizer, dass das Kapitel Hamburg und Global Champions Tour nun beendet ist.
„Ich freue mich wieder hier reiten zu könne. Das ganze Turnier ist so schön. Aber es war halt eine Entscheidung von mir, als die Global League kam, wollte ich keine Global Tour mehr reiten. Und das hat mir auch zweimal im Jahr sehr weh getan, wenn Madrid stattgefunden hat und wenn Hamburg im Kalender stand. Sonst habe ich keine Turniere vermisst, aber diese beiden schon. Ich bin jetzt richtig froh und ich habe mich riesig gefreut, als ich gehört habe, dass Hamburg wieder seine eigene Identität zurückholt und ich wieder da reiten kann.“
Steve Guerdat liebt Rasenplätze wie den Derby-Rasen in Hamburg. „Leider gibt es solche Plätze immer weniger. Dabei ist das so schön für die Pferde. Jedes Wochenende reiten wir meist auf Sandplätzen mit ein paar Zelten drum herum, egal wo auf der Welt. Die Plätze sehen fast immer gleich aus mit den gleichen Hindernissen. Hier in Hamburg ist es etwas ganz anderes. Dieser Platz ist einfach einzigartig. Dazu kommt die ganze Geschichte. Wenn ich hier in den Parcours einreite, fühle ich mich, wie ein Kind in Disneyland. Schon wenn ich nur den Parcours zum Abgehen betrete, habe ich Gänsehaut“, beschreibt Steve Guerdat seine Emotionen.
Schon als Kind hat er das Hamburger Derby im TV geguckt. „Später war ich dann natürlich super stolz, dass ich selber hier mitreiten durfte. Solche Turniere tragen am Ende dazu bei, dass der Sport sich so entwickelt hat. Der Sport profitiert von solchen Traditions-Turnieren, die es leider immer weniger gibt. Um so großartiger ist es, wenn es Menschen gibt, die solche Turniere organisieren, sie am Leben erhalten. Unser Sport braucht das.“
Und das Hamburger Derby sei auch ein „Turnier für die Pferde.“ „Die Natur, die frische Luft, das alles hier ist sehr pferdegerecht“, findet Guerdat.
Drei Pferde hat Guerdat in Hamburg mit dabei. Den achtjährigen Lucky Fauntleroy (v. Lord Fauntleroy). Ein „spezielles Pferd“, so Guerdat, der so ein wenig eigen ist. Er springt etwas unkonventionell. „Aber ich bin total von ihm überzeugt. Das ist so ein wenig ein Projekt“, lacht der Springreiter. Mit dabei ist auch IS-Minka (v. Mylord Carthago), eines der Lieblingspferde von Guerdat. „Wenn ich in den Parcours einreite verliere ich 50 Prozent vom Pferd, sie macht sich noch etwas klein. Noch fehlt der Stute das letzte Selbstvertrauen, aber wenn das mal kommt ist sie ein Ausnahme-Pferd“, erklärt Guerdat. Die Stute sei spät in den Sport gekommen, habe ein Fohlen gehabt. An die 5*-Karriere glaubt ihr Reiter dennoch.
Auch sein Top-Pferd Venard de Cerisy (v. Open up Semilly) ist mit im Derby-Park dabei. „Er hatte jetzt seit Genf Pause. Er war immer schwierig beim Aufsteigen, das war fast schon gefährlich. Also dachte ich es wäre gut, wenn er mal einen Monat ohne Sattel hat. Er sich diesen Stress sparen kann. Also kam er nur auf den Paddock und auf die Weide. Dann habe ich natürlich gedacht, das wird aber jetzt gefährlich, wenn ich wieder aufsteigen will. Aber das Gegenteil war der Fall. Der war so was von entspannt, das hat ihm wirklich gutgetan. Er ist super drauf“, freut sich sein Reiter.
Für die Europameisterschaft und in Richtung Olympia in Paris plant er allerdings mit Dynamix de Belheme (v. Snaike de Blondel). „Das ist wohl das beste Pferd, was ich je hatte.“
Auch das Derby würde Steve Guerdat irgendwann einmal reizen: „Ich liebe das Derby, auch Vernard liebt das, liebt Naturhindernisse. Irgendwann in der Zukunft habe ich schon vor, mit ihm mal Derby zu reiten, aber im Moment brauche ich ihn noch für Nationenpreise und Große Preise. Aber irgendwann ist es mein Ziel“, verspricht Guerdat.
Auch seine Neuzugänge, Looping Luna und Caracho, die er von Richard Vogel übernommen hat, machen sich gut. „Looping Luna bin ich letzte Woche am Samstag in Windsor einmal schwer geritten. Da hatte ich einen Fehler. Da hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass passt langsam mit mir. Ich wollte sie eigentlich auch im Grand Prix am Sonntag reiten, durfte es aber aufgrund des Regelwerkes nicht. Ich hätte wohl schon vorher mit ihr über 1,50m mit Null-Fehlern oder einem Abwurf gehen müssen. Das gute Ergebnis am Samstag zählte noch nicht. Diese Regel kannte ich nicht. Nächstes Wochenende nehme ich sie wohl mit nach Rom. Vielleicht geht sie auch den Großen Preis.“
Auch Caracho mache sich gut, sagt Guerdat. „Die letzte Anpassung stimmt noch nicht ganz, aber das kommt hoffentlich. Ich nehme mir immer gerne etwas Zeit. Um die Pferde gut kennen zu lernen. Das macht mich jetzt auch nicht nervös, dass die Resultate noch nicht so stimmen. Ich habe aber das Gefühl, dass wir immer besser zusammenwachsen. Geduld zahlt sich am Ende immer aus.“ Auch für die Hamburger, die ihren Steve Guerdat nun endlich wieder im Parcours bewundern können.
Text: Corinna Philipps