Sie hat in den vergangenen Monaten einen riesigen Satz nach vorne in der FEI Weltrangliste der Springreiter gemacht – von Rang 109 im Dezember 2023 auf den aktuellen Rang 64! Kendra Claricia Brinkop reitet in der Erfolgsspur. Auch in Hamburg spielte die Norddeutsche am Wochenende immer vorne mit, gewann die Youngster-Tour, war Fünfte im Championat von Hamburg, Dritte im 5-Sterne-Springen am Freitag und platzierte sich im Großen Preis am Samstag. Aber natürlich kam der Erfolg auch bei Kendra nicht über Nacht, hat sie sich die Chancen hart erarbeitet und sie dann im richtigen Moment genutzt.
Wir haben mit der 29-Jährigen über ihre Top-Pferde, ihre Prioritäten, die langfristigen Ziele, den internen Konkurrenzkampf und eine Rückkehr in die alte Heimat gesprochen.
Kendra Claricia Brinkop ist eigentlich in Neumünster zu Hause, stammt aus einer Holsteiner Pferdezüchterfamilie, war einige Zeit im Stall von Marcus Ehning angestellt und reitet seit 2019 für die Stephex Stables in Belgien. Dort hat sie eigentlich mal als 2- und 3-Sterne-Reiterin angefangen und sich mit konstant guten Leistungen und Fleiß kontinuierlich nach oben gearbeitet.
„Es ging jetzt schon rapide in der Weltrangliste nach oben“, lacht Kendra Claricia Brinkop nicht ohne Stolz. Daran ist auch ihr Chef, der Stephex-Boss Stephan Conter, maßgeblich beteiligt. Im Frühjahr schickte er Kendra Claricia Brinkop das erste Mal nach Wellington: „Er hat angerufen und gesagt, ich habe eine super Idee. Wir fahren nach Amerika. Dann haben wir in sieben Tagen alles erledigt, alle nötigen Papiere besorgt, alle Gesundheitstest gemacht. Bei so einem Trip in die USA muss ja viel überlegt werden. Zwar hat mein Chef in Wellington eine eigene Anlage, aber ich war noch nie da“, erzählt Kendra.
Ihre drei besten Pferde hat sie mit über „den großen Teich“ genommen: In Time (v. Biscayo), Tabasco de Toxandria (v. Cento) und Do it easy (v.Vigo Cece).
„Ich habe mir gar nicht zu viel vorgenommen, aber natürlich wollte ich auch schon so ein bisschen was erreichen. Ich habe hohe Ansprüche an mich selbst, aber ich weiß natürlich auch, die Konkurrenz dort wie Kent Farrington oder Laura Kraut, das ist noch mal ein anderer Sport. Dann lief es in der ersten Woche für mich grandios Da habe ich gleich die erste Quali gewonnen und war im Großen Preis platziert. Es hätte nicht besser laufen können und so ging es dann auch weiter“, erinnert sich die Spitzenreiterin.
Nach zwei Wochen in Florida flog sie für einen kurzen Abstecher zum Saut Hermes nach Paris. „Da wurde ich Vierte im Großen Preis. Das war super gut und dann ging es auch schon wieder zurück nach Amerika. Ich habe das Glück, dass ich derzeit so eine große Auswahl an sehr guten Pferden habe, so dass ich auf zwei Kontinenten gleichzeitig starten kann. Dadurch habe ich auch so einen großen Schritt in der Weltrangliste gemacht. Weil ich so viele große Turniere geritten bin“, resümiert Kendra.
Das bringt ihr nun viele Vorteile – denn ein gutes Ranking in der Weltrangliste öffnet die Tore und sichert Startplätze bei den großen internationalen Turnieren. „Das Ranking ist natürlich irre wichtig für die Startplätze, aber ich zähle, im Gegensatz zu manchem anderen, nicht die Weltranglistenpunkte. Ich weiß nie, wie viele Punkte es bei welchem Springen gibt. Aber natürlich ist ein gutes Ranking auch ein Ansporn und eine Bestätigung für gute Leistung“, findet Kendra.
Die ehrgeizige Springreiterin stellt allerdings klar: „Die Rangliste und Weltranglistenpunkte sind nicht meine erste Priorität. Meine erste Priorität ist, dass meine Pferde zufrieden sind. Dass ich daran Spaß habe, was ich mache. Ich habe auch Spaß, junge Pferde auszubilden. Ich bin nicht nur hinter dem Preisgeld und Punkten hinterher.“
Auch wenn sie zugibt: „Ist natürlich schön, wenn man das erste Mal etwas bewegt hat in den Rankings. Ich habe mir mal so ein Ziel dieses Jahr gesetzt und würde mich freuen, wenn ich es in die Top 50 schaffe. Beständig in den Top 50, das wäre schon toll.“
Setzt sie mit ihren Erfolgen und dem Aufstieg in der Weltrangliste auch die eigentliche Nummer eins im Stall Stephex, Daniel Deusser, unter Druck? „Das merkt er auch“, lacht Kendra. „Das ist natürlich nur Spaß. Wir haben ein gutes Miteinander. Das ist ein guter Konkurrenzkampf zwischen Daniel und mir. Mal reite ich ein Pferd von ihm, mal reitet er ein Pferd von mir. Es gibt wohl wenige Ställe, wo man das so flexibel handhaben kann. Klar motiviert es mich auch, wenn der Deusser in Führung ist, und ich würde nicht sagen, ich versuche nicht, ihn zu schlagen. Da kann man in dem Moment auch auf den Kollegen keine Rücksicht nehmen. Jeder hat den Ansporn, jeden zu schlagen. Trotzdem sind wir gute Kollegen, und wenn es bei mir nicht so gut läuft, dann bin ich trotzdem da und unterstütze ihn, soweit ich kann. Genauso ist es auch bei den Töchtern von meinem Chef. Die wachsen derzeit in den 5-Sterne-Bereich rein und ich versuche, ihnen auch meine Erfahrung zu geben. Ich coache die ältere Tochter Zoe. Wenn sie gewinnen würde und ich wäre Zweite, dann wäre ich genauso glücklich. Wir sind ein Stall und am Ende freut sich jeder für den anderen.“
Ihr absolutes Top-Pferd im Stall ist derzeit die KWPN-Stute In Time. Die 11-Jährige wurde zeitweise auch schon von ihrem Stallkollegen Daniel Deusser geritten. „Für mich ist In Time eine zweite Killer Queen“, munkelt Kendra Brinkop. „Aber zwischen Daniel und der Stute hat es nicht so gefunkt, deswegen reite ich sie wieder.“ Im Championat von Hamburg haben die beiden schon gut aufgetrumpft und sind in dem erstklassigen internationalen Starterfeld Fünfte geworden. „Ich hatte im Stechen einen Fehler, aber damit kann ich gut leben“, schmunzelt die Holsteinerin. „Ich bin eher so, dass ich im Stechen mehr riskiere und am Ende vielleicht einen Fehler habe, als dass ich auf Sicherheit reite.“
Ihr zweites Top-Pferd, Tabasco de Toxandria Z (v. Thunder van de Zuuthoeve), ist erst neun Jahre alt. Aber seine Reiterin ist sich sicher: „Er hat das Zeug für ein Championatspferd.“
Vor zwei Jahren kam er in ihren Stall: „Wir hatten den zusammen mit Cian O’Connor gekauft. Letztes Jahr hat er den einmal geritten. Dann hat er das Pferd einen halben Sommer lang gehabt, aber das lief nicht so wie gehofft. Dann habe ich den wieder zurückgenommen.“ Im Grand Prix of Hamburg am Samstag zogen die beiden auch ins Stechen ein, gingen mit einer schnellen Runde zum Angriff über – bekamen einen Fehler und wurden Neunte. „Es war erst sein dritter Großer Preis auf Fünf-Sterne-Niveau, er ist wirklich noch unerfahren, aber ich bin absolut überzeugt von ihm. Ich habe noch nie so ein Pferd gehabt.“
Ob sie sich irgendwann vorstellen kann, Belgien zu verlassen und nach Hause zurück zu kommen?
„Die Frage ist gut“, lacht Kendra. Aber ihre Antwort ist eindeutig: „Ganz ehrlich, ich glaube nicht. Ich fühle mich sehr, sehr wohl da, wo ich bin. Es ist für mich ein Traum, da diesen Sport auszuüben zu dürfen. Das ist schon alles sehr attraktiv bei uns mit der zentralen Lage, den zahlreichen Plätzen und dem Ausreitgelände. Wenn du Leute sehen willst, kannst du das, aber wenn du mal alleine sein willst, weil die Stimmung nicht so gut ist, dann geht das auch. Das ist der richtige Ort, um diesen Sport auszuüben. Ich habe da alle Möglichkeiten. In meiner Heimat Neumünster ist einfach alles viel weiter weg. Vielleicht sehe ich das in zehn Jahren anders. Das kann sein.“
Jetzt geht es für Kendra Claricia Brinkop erst einmal zum 4-Sterne-Turnier nach Bourg en Bresse in Frankreich. Und dann steht ein Nationenpreis in Rom auf ihrer Agenda. Auf dem Weg in die Top 50.