Irgendwie war dieses Wochenende ein geschichtsträchtiges für Norddeutschland: Erst steigt mit Holstein Kiel zum ersten Mal ein Schleswig-Holsteiner Club in die Fußball-Bundesliga auf, dann gewinnt ein junger Reiter zum zweiten Mal nacheinander das Hamburger Spring-Derby, und das mit Doppelnull.
Im vergangenen Jahr, bei seinem ersten Erfolg, war Marvin Jüngel nur Wenigen bekannt, wurde aber der zweitjüngste Derby-Sieger aller Zeiten, hinter Alwin Schockemöhle. In diesem Jahr war er der Titelverteidiger, formulierte selbstbewusst sein Ziel, dies zu schaffen, und sagte doch nach seinem Erfolg: „Ich muss mich eigentlich bei Frederic Tillmann bedanken, denn wenn er keinen Fehler gehabt hätte, dann hätte ich nicht gewonnen. Balou’s Erbin ist nicht so schnell und seine Zeit hätte ich nicht geknackt“, gestand Marvin Jüngel gegenüber spring-reiter.de
Frederic Tillmann war als 22. Starter mit DSP Comanche (v. Cellestial) der Erste gewesen, der fehlerfrei ins Ziel kam. Er selber war mit einem großen Handicap ins Derby-Turnier gestartet. Vor zwei Wochen hatte er sich auf dem Arbeitsplatz vier Rippenbrüche zugezogen. Aber „im Parcours, da hilft das Adrenalin. Vor einer Woche wusste ich noch gar nicht, ob ich hier überhaupt starten kann. Aber ich habe die Zähne zusammengebissen, für mich ist das Hamburger Derby das schönste Turnier im ganzen Jahr.“
Als erster Nuller musste er auch als Erster ins Stechen. Wie Frederic Tillmann hinterher selbst erzählte, hat er im Stechen „alles riskiert: Zum Letzten hin dachte ich, reite weiter, ich hatte eine Vorwärtsdistanz aber am Ende war ich dann doch zu nah dran, dadurch kam der Abwurf. Ich wollte Druck auf Marvin ausüben, leider ist dabei die Mauer gefallen. Marivn hat heute alles richtig gemacht, er ist Null geritten und hat verdient gewonnen.“
Auch bei Sieger Marvin Jüngel, der es nach Frederic Tillmann als Einziger noch fehlerfrei ins Stechen geschafft hatte, klapperte es in der Finalrunde zweimal. „Das habe ich natürlich gehört.“ Trodzem blieb der 22-Jährige cool. Er hat offensichtlich Nerven wie Drahtseile, was er allen zeigte, als er zum Stechen fast am langen Zügel entspannt in den Parcours eingeritten war.
„Ja“, schmunzelt Marvin. „es war klar, ich muss Ruhe bewahren, um für Balou’s Erbin alles möglich zu machen. Unruhe würde sich nur übertragen. Das das dann auch so geklappt hat, ist natürlich phantastisch.“ Eigentlich hatte er überlegt, seine 15-jährige Balou’s Erbin nach diesem Derby in Rente zu schicken. Aber das war dann wohl doch etwas voreilig. „Sie ist top-fit. Ich hätte niemals gedacht, dass ich das Derby so schnell noch einmal gewinne. Ein dritter Sieg ist das neue Ziel!“
Damit das auch klappt, trainiert Marvin Jüngel auch weiterhin bei Richard Vogel, David Will und Sophie Hinners. Er war für einige Monate bei ihnen im Stall zum Lernen, ist seit ein paar Wochen wieder zu Hause.“ „Das hat mir richtig viel gebracht.“
Hinter den Beiden, die den Sieg im Stechen unter sich ausmachten, folgten mit je einem Abwurf im schwersten Parcours der Welt – womit man in manchem Jahr auch schon den Sieg holen konnte – der Franzose Emeric George auf Dune du Ru (v. Vagabond de la Pomme), Thilo Schulz auf Zeppelin (v. Zinedine), Simon Heineke auf Cordillo (v. Corrido) und Alexander Butler auf Pico (v. Chekhov PZK).
Die Neunte, Sandra Auffarth, hatte mit Nupafeed’s La Vista (v. Lordanos) acht Fehlerpunkte eingesammelt, aber bekam neben dem Preisgeld für die Platzierung noch einen Extrascheck: Das Publikum hatte ihr die meisten Punkte gegeben für den Harmonie & Fairness Preis gegeben, der von Anrecht Investment ausgeschrieben wird.
Insgesamt 32 Reiter-Pferd-Paare waren in das 93. Rennen um das Blaue Band des Derbysiegers im Derby-Park von Hamburg Kleinflottbek gegangen. Es war das 25. für Volker Wulff als Turnierchef – und zugleich sein letztes. Er konnte das Kapitel mit einem Ausrufezeichen schließen: 104.000 Zuschauer waren insgesamt an diesem Wochenende gekommen, um den Pferdesport zu feiern und zu genießen – zum ersten Mal in der Geschichte des Derbys war die 100.000-Marke geknackt. Volker Wulff blieb das letzte Wort: „Ich wünsche dem Derby alles Gute für die Zukunft, das Derby hat es verdient.“