Holger Hetzel, Nationenpreisreiter, zweifacher Deutscher Vize-Meister der Springreiter, international renommierter Ausbilder, Landestrainer Springen Rheinland und Turnierveranstalter, hat zusammen mit seinem Team in den vergangenen 35 Jahren im rheinischen Goch ein Pferdesportzentrum etabliert, das Reitschüler und potentielle Pferdekäufer aus der ganzen Welt anzieht. Das Corona-Jahr 2020 hat natürlich auch seinen Betrieb stark geprägt. Der 60-jährige Pferdesport-Unternehmer zieht eine Bilanz für das abgelaufene Jahr und bietet zugleich einen Ausblick auf 2021:
Frage: Wie hat sich im Rückblick das „Corona-Jahr 2020 für den Pferdesport dargestellt?
Holger Hetzel: Wie eigentlich unser ganzes Leben hat 2020 die Corona-Pandemie auch den Turniersport grundlegend verändert. Vor allem die großen Vier- und Fünf-Sterne-Turniere hat es hart getroffen, die meisten von ihnen sind ausgefallen. Deshalb hatten es die ProfiTurnierreiter, die in erster Linie von den Gewinngeldern leben, sehr schwer. Eingespielt hat sich der Profi-Sport auf Turnieren mit Zwei- und Drei-Sterne-Niveau, die unter den Bedingungen der Corona-Schutzmaßnahmen durchführbar waren. Es war gut, dass sich viele Veranstalter gefunden haben, die Turniere auf diesem Niveau angeboten haben. Allerdings kann man auf solchen Veranstaltungen kaum kostendeckend reiten.
Frage: Welche persönlichen Erkenntnisse haben sich aus dem Corona-Jahr für Sie ergeben?
Hetzel: Wir haben ja bis 2020 in einer Welt gelebt, in der das Motto lautete: Immer höher, immer schneller, mehr geht immer. Bis dahin konnte man den Spitzenturniersport mit einer gut nachgefragten Aktie vergleichen, deren Kurs zur Freude aller Beteiligten ständig stieg. Corona hat uns brutal die Grenzen gezeigt. So ging es von einem hohen Berg von jetzt auf gleich in ein tiefes Tal hinunter. Insofern hat uns Corona auch wieder bescheidener gemacht.
Frage: Wie haben Sie auf die Situation reagiert?
Hetzel: Wir haben uns auf die veränderten Rahmenbedingungen und Marktlage schon früh neu eingestellt. Wir hatten schon im Frühjahr die Vision mit Hilfe eines strengen Hygienekonzeptes wieder Turniere zu veranstalten. Letztendlich auch Dank der guten Unterstützung durch die Landeskommission und die FN standen wir bereits im Mai wieder in den Startlöchern und haben aus der Not eine Tugend gemacht und erstmals Outdoor-Turniere bei uns organisiert. So konnten wir Mitte Mai das erste Turnier in Westdeutschland seit Beginn des Lockdowns anbieten. Dabei haben wir erkannt, dass wir auch das auf unserer Anlage gut umsetzen können. Deshalb haben wir in den folgenden Monaten vier Turniere durchgeführt und auch verstärkt Veranstaltungen für den Nachwuchs organisiert, die sehr guten Zuspruch gefunden haben. Aufgrund der aktuellen Infektionslage haben wir leider die letzten geplanten Turniere und unsere Springpferdeauktion absagen müssen.
Frage: Was haben Sie darüber hinaus unternommen?
Hetzel: Viele Vereine und Betriebe hatten es im Frühjahr und Frühsommer wirtschaftlich und sportlich schwer, weil sie keinen Schulbetrieb durchführen konnten. Deshalb habe ich mir Gedanken gemacht, wie man solidarisch etwas helfen kann. Daraus ist die Idee entstanden, Vereinen einen Trainingstag zu schenken, dessen Erlös jeweils der Vereinskasse zugutekommen sollte. Die Vereine konnten sich hierfür bewerben und die fünf Vereine, die für diesen Trainingstag die höchsten Einnahmen generieren konnten, habe ich dann besucht und dort Springreiter trainiert, von Hamburg bis München. Nach einem Brainstorming mit dem Futtermittelhersteller Höveler, hat sich dieser bereit erklärt, diesen fünf Vereinen Futtermittellieferungen im Wert des doppelten Betrages, den sie für den Trainingstag einnehmen konnten, zur Verfügung zu stellen, was diesen Vereinen zusätzlich ganz erheblich geholfen hat.
Frage: Die letzten Monate sahen ja auch zahlreiche Reisebeschränkung. Wie haben Sie darauf reagiert?
Hetzel: Ein Problem war natürlich, dass wir gerade in den Sommermonaten kaum Schüler aus dem Ausland betreuen konnten und auch das Auslandsgeschäft mit Springpferden deutlich abnahm, da Interessenten nicht reisen konnten. Darauf haben wir reagiert, indem die Kunden die Pferde mit Facetime und Video on demand quasi direkt ausprobieren und testen konnten. Wir haben erkannt, dass wenn der Kunde nicht zum Pferd kommen kann, dann eben das Pferd virtuell oder physisch zum Kunden kommen muss. Deshalb haben wir in einzelnen Ausnahmefällen auch Pferde zum Ausprobieren ins Ausland transportiert. Das funktioniert natürlich nur, wenn man von seinem Produkt selbst überzeugt ist. Ein großes Plus in diesem schwierigen Jahr war das langjährige Vertrauensverhältnis, das wir über viele Jahre bei Kunden in der ganzen Welt aufbauen konnten. Frage: Wie glauben Sie werden sich die nächsten Wochen gestalten? Hetzel: Ich persönlich bin der Meinung, dass die nächsten Wochen und Monate für uns alle noch einmal ziemlich schwierig werden. Aber ab dem Frühjahr wird es auch wieder besser werden, wenn sich hoffentlich die ersten Impfungen positiv bemerkbar machen und höhere Temperaturen das Infektionsgeschehen zurückdrängen. Darauf stellen wir uns schon jetzt ein. Wir werden frühestmöglich die Turnierveranstaltungen, die in den letzten Monaten des Jahres 2020 bei uns ausfallen mussten, in 2021 nachholen.
Frage: Wie nutzen Sie die mehr oder weniger ausgefallene Wintersaison?
Hetzel: Die zwangsweise Winterpause hat für die Pferde auch eine positive Seite. Wir können uns viel intensiver mit der Ausbildung der jungen Pferde befassen, was bei einer regulären Wintersaison in diesem Maße aufgrund der zahlreichen Termine nicht möglich wäre. Zudem haben die älteren und routinierteren Pferde wie in früheren Zeiten nun wieder eine echte Turnierpause.
Frage: Und wie schätzen Sie die langfristige Entwicklung im Pferdesport ein?
Hetzel: Ich möchte auch das ein wenig mit der Börse und dem Aktienmarkt vergleichen. Die Aktie Pferde- und Turniersport wird in den nächsten zwei oder drei Monaten nicht wieder steil nach oben steigen, um neue Höchstwerte zu erzielen. Aber ich bin sehr sicher, dass sie ab dem Frühjahr langsam, aber kontinuierlich steigen wird, so dass wir vielleicht 2022 wieder den Vor-Corona-Level erreichen.
Frage: Was bedeuten die nächsten Monate für Ihr Pferde-Business?
Hetzel: Zunächst können wir uns jetzt viel intensiver mit der Akquise, der Ausbildung und der Vorbereitung der jungen Pferde beschäftigen. Zudem haben wir jetzt noch mehr Zeit, uns mit den Ideen und Vorstellungen unserer Kunden zu befassen. Das perfekt für einen Käufer passende Pferd zu finden und auszubilden, ist sehr häufig auch eine Frage der zur Verfügung stehenden Zeit. Diese Zeit können wir jetzt zum Vorteil unserer Kunden nutzen, deren besondere Vorstellungen wir kennen.
Frage: Mit welcher Einstellung gehen Sie 2021 an?
Hetzel: Ganz wichtig für mich ist, dass wir alle im Team stark motiviert und aktiv sind und der Zukunft positiv entgegensehen. Den veränderten Rahmenbedingungen passen wir uns mit neuen Strukturen und Angeboten an. Mit Optimismus, Engagement, Kreativität, Flexibilität und Freude an unserer Arbeit werden wir auch das Jahr 2021 meistern.