Andreas Kreuzer: “Kein Pferd springt am Sonntag einen Großen Preis, wenn dies nur mit Zwang und Druck in Verbindung stehen würde!”

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Er kennt die vielen Facetten des Springsports aus beinahe jedem Winkel: Andreas Kreuzer war nicht nur als internationaler Springreiter höchst erfolgreich, holte 2010 Mannschaftsgold mit den Jungen Reitern bei der Europameisterschaft, bestritt Nationenpreise, war 2011 mit Chacco-Blue Dritter im Großen Preis von Aachen und gewann mit David Will im Team bei der Global Champions League in Shanghai. Er lernte von den Besten wie Paul Schockemöhle, Bundestrainer Otto Becker und Franke Sloothaak. Heute gibt der 31-Jährige sein geballtes Wissen höchst erfolgreich als Trainer u.a. an Patrick Stühlmeyer und Philip Rüping sowie als Chef der Reitsportanlage in Damme an seine Schüler und Bereiter weiter. Gerade war er in Oliva bei der Europameisterschaft, wo er Emilia Löser und Matthis Westendarp auf dem Weg zur Team-Silber-Medaille der Jungen Reiter begleitete. spring-reiter.de hat Andreas Kreuzer zum Interview getroffen, mit ihm über das Image des Pferdesports gesprochen, über seine Leidenschaft für Pferde und warum er ein Comeback im Turniersattel für sich ausschließt.

Zum Gespräch kommt Kreuzer, der als Kind auf dem elterlichen Hof Ponys ritt und bereits mit 12 Jahren sein erstes S-Springen bestritt,  im lässigen Karo-Hemd und in Jeans, mit weißen Reithosen sieht man den Deutschen Meister von 2016 nur noch sehr selten. Andreas Kreuzer lacht: „Ja, vor meinem Start in Groß Viegeln musste ich erst mal meine Turnier-Klamotten suchen. Mein Start war eine Art Schnellschuss im Nachhinein. Weil meine Hauptbereiterin Zascha schwanger ausfiel, bin ich kurzfristig in den Sattel gestiegen. Davor hatte ich mir noch die Hand gebrochen, war länger nicht geritten, und dann hat man einfach gesehen, dass die Routine fehlt. Das hat mich so ein bisschen eingeholt“, gibt Andreas Kreuzer offen zu.  Und obwohl es beim anschließenden CSI4* im Sentower Park schon wieder viel besser lief, ist die aktive Turnierreiterei für Kreuzer ein Kapitel, mit dem er mehr und mehr für sich abschließt.

„Ich für mich selber vermisse das Turnierreiten eigentlich nicht. Es packt mich irgendwie nicht mehr. Nicht mal bei der Europameisterschaft in Riesenbeck im letzten Jahr, wo ich Zascha Nygaard gecoacht habe. Der Sport an sich für mich als Sportler gibt mir nicht mehr so viel. Das war eine super Zeit und ich würde es auf gar keinen Fall gegen irgendetwas eintauschen wollen, weil es auch Erfahrungswerte sind, die mir keiner mehr nehmen kann und die mir jetzt helfen. Aber ich brauche das nicht mehr“, fasst Andreas Kreuzer das Ende seiner sportlichen Karriere zusammen.  Nur beim CHIO Aachen blitzte die Erinnerung an das erhebende Gefühl, durch die Soers zu reiten, noch einmal auf. „Wenn es einen dort nicht mehr packt, dann kann man es auch besser gleich komplett vergessen. Das ist natürlich etwas ganz Besonderes. Da hat man dann auch kurzeitig das Kribbeln wieder. Und denkt sich, wow, bei der Atmosphäre in diesem Stadion.“

Aber selbst mit dem richtigen Pferd würde er nicht an ein Comeback im Sattel denken. „Wir haben im Moment super Pferde im Stall. Ich hätte ja die Möglichkeit, aber ich möchte es gar nicht.  Die andere Rolle als Trainer füllt mich irgendwie mehr aus. Ich liebe Pferde. Ich liebe es, mit den Pferden zu arbeiten, Reiter passend für die Pferde auszusuchen, eine Einheit zu schaffen. Diese Komplexität macht mir unglaublich viel Spaß“, schwärmt Andreas Kreuzer, der seinen Erfahrungsschatz auch Paul Schockemöhle verdankt, für den er jetzt wieder zwei- bis dreimal pro Woche arbeitet. Jetzt ist er in Mühlen als Trainer und Berater im Einsatz – auf Augenhöhe.  „Paul Schockemöhle und ich haben über die Jahre immer engen Kontakt gehalten. Mühlen und Lewitz waren immer Themen, die mich unglaublich interessiert haben. Wir haben dann gesprochen, ob ich mir vorstellen kann, da etwas mitzuhelfen. Das war für mich dann keine große Frage, weil mich das super interessiert und auch Spaß macht“, erklärt Kreuzer sein Arbeitsverhältnis.

Noch gut hat er seine schwierige Anfangszeit vor Jahren in Mühlen vor Augen: „Ich hatte bei der Europameisterschaft der Junioren 2008 gerade die Bronzemedaille mit der Mannschaft gewonnen und fühlte mich als König“, lacht Kreuzer. Doch im Stall Schockemöhle wurde er schnell vom Thron auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. „Da konnten alle reiten, ich war einer von vielen, durfte erst mal nur Pferde versorgen und misten. Nach drei Monaten hatte ich eigentlich die Nase voll und wollte nach Hause“, erzählt der gebürtige Nordrhein-Westfale offen. Zum Glück kam es anders und Kreuzer blieb. Eines Tages setzte Schockemöhle seinen Nachwuchsreiter auf seinen Lieblingshengst, den bis heute legendären Mecklenburger Springpferde-Vererber Chacco-Blue, und eine Erfolgsgeschichte fand ihren Anfang. Zusammen gewannen sie u.a. den Großen Preis in Neumünster und wurden Dritte im Großen Preis von Aachen.

„Dennoch sind es nicht die Erfolge, die einen nach vorne bringen, sondern die Niederlagen“, davon ist Andreas Kreuzer heute überzeugt. Denn wie schnell es im Springsport hoch und runter gehen kann, hat er schon oft erfahren. „Viel wichtiger als die Erfolge, sind die Ziele, die man sich steckt, ist der gemeinsame Weg dahin. Viele Schüler trainiere ich seit Jahren und wir sehen die Entwicklung. Das macht mir unglaublich viel Spaß“, bringt Andreas Kreuzer seine Leidenschaft als Trainer auf den Punkt. Seit 2018 ist er im Reitsportzentrum Damme selbstständig, beschäftigt dort mehrere Bereiter, trainiert Schüler. Im nächsten Jahr im April läuft der Vertrag allerdings aus, dann muss neu verhandelt werden. „Dieses Jahr nutzen wir die Chance auszuloten, wie es da weiter gehen kann. Wie wir weiter machen und in welcher Form“, sagt Andreas Kreuzer. Er hofft auf eine Fortsetzung. „Für mich passt es in Damme alles sehr gut, die Anforderungen stimmen und die 60 Boxen brauchen wir auch.“  

Sorge bereitet Kreuzer das angeschlagene Image des Reitsports: „Die letzten Jahre waren natürlich ziemlich heftig mit allem, was da auf uns niedergeprasselt ist. Ich glaube, dass wir einfach dahin kommen müssen, dass wir offensiver mit den Themen umgehen, sprich auch wirklich das Besondere an unserem Sport offen kommunizieren müssen. Damit die Menschen auch mehr Einblick bekommen. Dann wäre es für viele auch einfach klar, dass kein Pferd auf der Welt am Sonntag einen Großen Preis springt, wenn dies nur mit Druck oder Zwang in Verbindung stehen würde. Und kein Reiter der Welt kann am Ende ein Pferd, das eine halbe Tonne wiegt, zu irgendetwas zwingen, weil man das nicht kann. Mit Gewalt und Druck geht gar nichts. Trotzdem muss man auch nichts schön reden. Es gibt immer Situationen, die wir als Reiter auch nicht gut finden. Aber man kann das nur ändern, in dem man offen darüber spricht und versucht, es abzustellen. Das ist ein schwieriger Spagat, weil man auch versucht, sich so ein bisschen abzuschotten, sich zu schützen. Ich glaube aber, dass man da offensiver werden muss, damit eine größere Normalität bei diesem Thema einkehrt. Das Hauptargument ist ja immer, das sei nicht artgerecht. Das sei nicht die Natur der Pferde. Die Pferde, die wir jetzt aber über Jahre gezüchtet haben, die würden auch nicht mehr in der Steppe überleben. Da muss man einfach umdenken, versuchen zu verstehen, dass es Sportpferde sind, die dies auch in ihrer Genetik haben.“

Das sind die Themen, die Kreuzer auch mit seinen Schülern bespricht: „Es gibt einfach gewisse Grundregeln, und der Respekt vor dem Partner Pferd ist das oberste Gebot. Nach dem Parcours wird erst einmal durchgeatmet, egal wie es lief, das Pferd gelobt, ausgetrabt, Schritt geritten. Dann wird das Pferd versorgt. Erst danach wird analysiert, was vielleicht passiert ist. Müssen wir mit dem Pferd etwas  erarbeiten, müssen wir am Reiter etwas erarbeiten. Viele Reiter sind natürlich erst mal enttäuscht, wenn es mal nicht so läuft. Das ist auch ganz normal. Das ging mir so, das geht anderen so. Wichtig ist, dass man diese Emotionen erst mal kanalisiert und spezifisch analysiert und nicht aus der ersten Emotion alles am Pferd auslässt. Oder irgendetwas sagt, was man gar nicht so meint. Das Allerwichtigste ist die Partnerschaft zwischen Pferd und Reiter. Egal, wie viel Talent man hat, egal wie gut mein Pferd ist, es geht immer darum, dass man langfristig denkt und Konstanz rein bekommt. Ich glaube, dass es viele Reiter geben kann, die vom Talent her mit dem passenden Pferd zur passenden Zeit einen guten Parcours reiten können. Aber das ist immer noch ein Unterschied dazu, wirklich konstant seine Pferde selber ausbilden und langfristig im Sport gesund halten zu können. Der Erfolg ist ja nur das letzte I-Tüpfelchen, das uns zeigt, dass wir vieles richtig gemacht haben und auf dem richtigen Weg sind.“

Text und Interview: Corinna Philipps