Folge des Ukraine-Kriegs: Palästina und Nordmazedonien werden zu Reit-Nationen

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Was macht ein russischer Reiter, der in der Zeit des Ukraine-Kriegs weiter international starten will? Als Russe darf er es nicht, also wechselt er den Pass und die Flagge, unter der er antritt. Auf diese Weise ist plötzlich Palästina zu einer internationalen Größe im Parcours geworden. Im Jahr 2020 waren ganze neun Reiter bei der FEI registriert, die für Palästina starteten, und fünf Pferde – im Jahr 2021 gar keins mehr. Aber nachdem die FEI als Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine am 28. Februar 2022 alle Turniere in Russland und Belarus gestrichen sowie am 2. März 2022 auch alle russischen und belarussischen Athleten, Offizielle und Pferde gesperrt hatte, wurde Palästina zur hippologischen Größe: Im Verlauf des Jahres 2022 wuchs die Zahl der für Palästina startenden Reiter auf 70 und die Zahl der in Palästina registrierten Pferde auf 50.

Umziehen mussten sie dafür nicht, denn die Heimatbasis der russischen Top-Reiter ist ohnehin nicht mehr ihr Heimatland. Zu denen, die als Russen jetzt unter palästinensischer Flagge starten, gehört auch der U25-Reiter Egor Shchibrik, den wegen seines großen Talents die Young Riders Academy gerade in ihr Förderprogramm aufgenommen hat. Zuhause ist er mit seiner Dressur reitenden Ehefrau Aleksandra und den Pferden seit 2020 im niederländischen Nordbrabant, in Rucphen.

Ähnliches gilt für seinen Landsmann Vladimir Tuganov, der sogar Vizepräsident des russischen Reiterverbandes war und seit Jahren zu den Stammgästen der Turniere im arabischen Raum gehört: Zweimal, 2004 und 2012, war er für sein Heimatland bei Olympischen Spielen an den Start gegangen, aber nach der internationalen Sperre wechselte auch er unter die Flagge Palästinas. Mit 61 Jahren, so sagte es sein Team-Kollege Vladimir Beletsky, habe er eben nicht mehr viel Zeit, die ihm als aktiver Reiter noch verbleibe. Und in Paris 2024 wolle er unbedingt noch einmal an seinen dritten Olympischen Spielen teilnehmen – dann eben für Palästina. Umziehen muss auch er nicht: Seine Homebase ist schon lange die Milestone Farm in Tienray, ebenfalls in den Niederlanden.

Nicht die palästinensische, sondern die nordmazedonische Flagge wählte ein Anderer, den der Bann für russische Reiter traf: Aleksandr Onishchenko, im ukrainischen Öl- und Gasgeschäft reich geworden, der einst als Präsident des ukrainischen Reitverbandes im Ausland Reiter mit Pferden ausstattete, damit die im Gegenzug die ukrainische Staatsbürgerschaft annahmen und ein Nationenpreisteam für sein Heimatland bildeten. Die beiden Deutschen Ulrich Kirchhoff und René Tebbel starten immer noch unter ukrainischer Flagge.

Aber Onishchenko geriet in der Ukraine in Schwierigkeiten, wurde strafrechtlich verfolgt und floh ins Ausland. Inzwischen hat er seine Heimat in Russland und im niedersächsischen Herzlake und startete für Russland. Bis der internationale Bann die Sportler aus dem Land des Kriegsherrn Putin traf. „Ich durfte seit einem halben Jahr auf kein Turnier“, klagte Aleksandr Onischenko im vergangenen August gegenüber spring-reiter.de. Mit dem Reitverband Nordmazedoniens verabredete er, dass er für den EU-Beitrittskandidaten startet. „Alles official“, betonte der Reiter. Der Verband hat mit der Regierung gesprochen – und Onishchenko hatte auch die mazedonische Staatsbürgerschaft samt ordentlichem Personalausweis.

Onishchenko blieb nicht allein: Aus zwei bis drei bei der FEI registrierten Reitern wurden 2022 quasi über Nacht elf, aus null Pferden 2020 wurden zehn.