Der Preisgeldtopf ist mit 1,2 Millionen Euro so gut gefüllt wie nie, weltweit gibt es keine Konkurrenz-Veranstaltung, der Kartenvorverkauf brummt, 40 Prüfungen – davon sechs auf 5* Niveau – warten: Das Deutsche Spring- und Dressur-Derby vom 17. bis 21. Mai in Hamburg ist trotz einer grundlegenden Veränderung auf dem Erfolgsweg. Nur das Wetter muss noch mitspielen.
Und das alles ohne die Longines Global Champions Tour, die seit 2016 fester Bestandteil des Hamburger Derbys war. Nur der Sonntag, der Höhepunkt dieses legendären Turniers auf dem großen Rasen von Hamburg Klein Flottbek seit mehr als 100 Jahren – der bleibt eben immer für den Kampf ums Blaue Band des Derby-Siegers reserviert. Wenn es über den Großen Wall oder durch Pulvermanns Grab über die 1.230 Meter des schwierigsten Parcours der Welt ging, dann herrscht Volksfeststimmung, egal ob die Sonne scheint oder norddeutsches Schietwetter herrscht. Dann war die Global Tour immer außen vor, die am Samstag endete. „Sie fühlten sich im Schatten des Derbys“, erzählt Veranstalter Volker Wulff jetzt beim Derby-Talk an der Hamburger Elbchaussee. „Das Beste im Springreiten“, so lautet die Eigendarstellung der Global Tour – mit diesem Selbstbewusstsein wollten deren Macher auch die Hamburger Tradition knacken.
„Aber da sind wir unflexibel“, erklärte ihnen Volker Wulff. „An dieser Struktur kann ich nichts ändern.“ Andererseits brachten Global Tour-Macher Jan Tops und seine Hauptsponsor Longines viel Preisgeld mit. Als es im vergangenen Jahr um die Verlängerung der Partnerschaft ging, „haben sie mich hingehalten, bis ich gesagt habe, dass ich den Vertrag nicht verlängere.“ Die Global Tour hatte hoch gepokert – und verloren. „Jetzt bin ich sehr froh, dass es so gelaufen ist“, resümiert Volker Wulff mit Blick auf das Derby in diesem Jahr, das wie immer am Himmelfahrtstag beginnt. Und Sponsor Longines hatte damit offenbar auch kein Problem, sondern ist jetzt eben neuer Derby-Sponsor. Die Reiter und Fans stört der Wegfall der Global Tour offenbar auch nicht: „Wir werden an diesem Wochenende das einzige CSI5*-Turnier weltweit sein, beim Weltcup-Finale in Omaha haben sich ganz viele Top-Reiter dazu bekannt, nach Hamburg zu kommen. Wir werden vielleicht also eine noch größere Dichte an Top-Reitern als sonst haben“, freut sich Volker Wulff. Beim Karten-Vorverkauf liegt das Derby-Team um 15 % über dem Vorjahr, „am Samstag und Sonntag gibt es schon keine Sitzplätze mehr – und keiner hat nach der Global Tour gefragt“.
Der Deutsche Meister Mario Stevens erinnert sich noch an „die vielen Gerüchte“, die es im vergangenen Jahr nach dem Aus für die Global Tour in Hamburg gab. „Wir Reiter sind sehr froh und dankbar, dass Volker das durchzieht. Es ist eins der wichtigsten Turniere der Welt. Volker, danke, dass Du das hinkriegst!“ Ohne die Global Tour hätten mehr deutsche Reiter die Chance zu starten, im direkten Vergleich zu sehen, wo sie leistungsmäßig stehen. Er selbst wir mit seinem Starissa und mindestens einem Youngster starten. Es sei ein „ganz wichtiges Wochenende“ auch für Bundestrainer Otto Becker, denn danach fielen die ersten Entscheidungen über die Nationenpreis-Einsätze und die Championats-Longlist.
Ebenso wichtig, auch mit Blick auf die internationalen Top-Reiter, war die Gestaltung des Preisgeldes: „Das Preisgeld im Longines Grand Prix of Hamburg bleibt bei 300.000 Euro. Das Deutsche Spring-Derby präsentiert von IDEE KAFFEE sowie die zweite Qualifikation im Preis der Deutschen Kreditbank AG haben eine signifikante Preisgelderhöhung erfahren. In der Derby-Tour gibt es insgesamt 230.000 Euro zu gewinnen, das ist so viel wie nie zuvor“, erzählt Derby-Chef Volker Wulff im Rahmen des Derby-Talk im Landhaus Scherrer.
Zum ersten Mal wird auch Sponsor Theurer die Youngster Tour für Sieben- und Achtjährige präsentieren. Und das wichtige Thema Nachhaltigkeit der Veranstaltung spielt eine immer größere Rolle: „Ich war erstaunt, wie nachhaltig wir schon sind“, berichtet Volker Wulff. Die Nummer eins bei diesem Thema sei ja die „Fan-Mobilität. Wir haben hier die S-Bahn vor der Tür, Park-and-Ride-Plätze machen es unnötig, die Luft mit Auspuffgasen zu verpesten. Wir werden auch zusätzliche Fahrradplätze anbieten – und die Mist-Entsorgung aus den Stallungen geht in die Landwirtschaft.“ Damit der große Rasenplatz seine legendäre Qualität behält, werden jährlich 30.000 bis 35.000 Euro allein in seine Pflege investiert.
Es ist also alles gerichtet für ein Erfolgs-Wochenende. Und eine, die auf jeden Fall auch wieder antreten wird, ist Derby-Titelverteidigerin Cassandra Orschel mit ihrer Dacara E. 2022 gewann sie mit der Stute als erst fünfte Amazone unter großem Jubel das Blaue Band, das jetzt in ihrem Wohnzimmer an der Wand hängt. Sie hat den „kleinen Traum“, dass ein erfolgreiches Derby-Wochenende ihr die Tür zur Europameisterschaft öffnet: „Dadurch, dass ich für Polen starte, ist es vielleicht etwas einfacher, das zu erreichen.“