Nach dem Nationenpreis am Freitag in Hickstead muss die Entscheidung fallen. Wer fährt für Deutschland zur Europameisterschaft in Mailand vom 30. August bis 3. September. Das Problem für die Bundestrainer Otto Becker und Markus Döring sowie ihre Top-Reiter ist ein doppeltes: Es geht nicht nur darum, welches Reiter Pferd Paar im Moment in EM-Form ist, sondern auch darum, dass fast parallel die Spruce Meadows Masters in Kanada mit 2,1 Millionen Euro Gesamtpreisgeld locken. Wer in Mailand an den Start geht, kann zumindest nicht mit demselben Pferd drei Tage später im rund 8000 Kilometer entfernten Kanada über den Rasen galoppieren.
Der beste deutsche Reiter, derzeit die Nummer 12 der FEI Weltrangliste, Daniel Deusser hat mit seinem zweiten Platz im Grand Prix in Aachen und Platz drei im Großen Preis in Riesenbeck im Sattel seiner Rasenspezialistin Killer Queen VDM (v. Eldorado vd Zeshoek) gerade wieder seine Ausnahme-Qualität bewiesen. Die EM stand für den in Belgien lebenden Springreiter bisher allerdings nicht im Kalender. „Ich möchte mit Killer Queen gerne noch einmal nach Calgary“, sagte Deusser gegenüber spring-reiter.de. Dort hat das Paar vergangenes Jahr den Rolex Grand Prix gewonnen. Aber: „Wenn der Bundestrainer mich unbedingt braucht, stehe ich natürlich zur Verfügung.“
Auch der amtierende Europameister André Thieme und seine DSP Chakaria gehören natürlich zum engeren Favoriten-Kreis für ein Ticket nach Mailand, trotz der eher durchwachsenen Auftritte in Riesenbeck. Augenzwinkernd sagte Thieme zum Thema Titelverteidigung: „Besser kann es ja nicht mehr werden.“ Einen Traum hat er noch: „Mit der Mannschaft Gold bei der Euro zu gewinnen, wäre mein größter Traum.“
Der zweitbeste deutsche, die aktuelle Nummer 20, Marcus Ehning, ist nach seinem grandiosen Aachen Sieg und dem Deutschen Meistertitel in Balve sicher fest gesetzt – und Bundestrainer Otto Becker weiß seit Jahren, dass er sich auf ihn immer verlassen kann. Doch nach seinem Triumph mit Stargold (v. Stakkato Gold) im Rolex Grand Prix in Aachen vor drei Wochen wollte Ehning zumindest einmal über einen Start bei den Spruce Meadows Masters „nachdenken“. Bei einem weiteren Erfolg würden ihm immerhin 500.000 Euro extra Prämie winken.
Richard Vogel inzwischen auf Platz 24 der Weltrangliste nach oben katapultiert, liebäugelt ebenfalls mit dem prestigeträchtigen Turnier in Kanada. „Für Cepano Baloubet käme die EM in Mailand zu früh“, sagt Vogel spring-reiter.de. Der Chaman-Sohn, der in dieser Saison bereits den Rolex Grand Prix in Wellington gewann, ist erst neun Jahre alt. Über sein zweites Top-Pferd, mit dem er beim Weltcup-Finale in Omaha brillierte und sich im Großen Preis in Aachen platzierte, sagte Vogel gegenüber spring-reiter.de: „Ich würde gerne mit United Touch S in Calgary starten.“
Ein ganz heißer Kandidat für Mailand und Calgary ist auch Philipp Weishaupt. Er weiß wie es ist in Calgary zu gewinnen. Eine EM-Goldmedaille stünde ihm aber sicher auch gut. In Spitzenform ist der Riesenbecker nach seinem Fußbruch im Frühjahr schon mal wieder. Mit dem neunjährigen Zineday (v. Zinedine) wurde er in Aachen Dritter im Rolex Grand Prix und auch in Riesenbeck konnte er sich mit Coby (v. Contagio) im Großen Preis platzieren. An der Entscheidung, wo er starten wird, wird neben ihm selbst und Bundestrainer Otto Becker sicher auch sein Chef Ludger Beerbaum ein entscheidendes Wort mitsprechen.
Genauso wie bei einem weiteren möglichen EM-Starter, Christian Kukuk. Auch er ist mit Mumbai (v. Diamant de Semilly) und der neunjährigen Just be Gentle (v. Tyson) in Championats-Form.
Fest gesetzt für Otto Becker dürfte seine erfolgreiche Nationenpreisreiterin Jana Wargers mit ihrem Limbridge (v. Limbus) sein. Auch sie ist nach tollen Auftritten in Aachen und Riesenbeck in konstanter Form.
Seit seinem Aachen-Sieg vor einem Jahr reitet auch Gerrit Nieberg automatisch auf dem Kandidaten-Karussel mit. Mit Ben (v. Sylvain) und Blues d’Aveline CH (v. Baloussini) hat er zwei Top-Championatspferde unter dem Sattel und mit seinem Vater Lars als Ex-Welt- und Europameister sowie Olympia-Sieger, den idealen Coach an seiner Seite. Aber auch hier lockt Calgary. In Kanada waren Gerrit Nieberg und Ben 2022 als Fünfte im Großen Preis vorne platziert.
Ob sich der seit vielen Jahren erfolgreiche Christian Ahlmann nach seinem schweren Sturz in Mexiko überhaupt schon wieder fit genug für eine EM fühlt, kann am Ende nur er selbst entscheiden. Die Pferde für eine EM hätte er mit Mandato vd Neerheide (v. Emerald), mit dem er kürzlich in Paris gewann, und dem gewaltigen Dominator 2000 Z (v. Diamant de Semilly) allemal.
Auch David Will, derzeit Rang 41 der Weltrangliste sowie Hans-Dieter Dreher, die Nummer 47, sind immer eine gute Option.
Keine leichte Entscheidung für den Bundestrainer, die Reiter und die Pferdebesitzer.