Sie ist ein Aushängeschild für den internationalen Springsport: Ohne Allüren, fleißig, ehrgeizig und immer pro Pferd reitet Jana Wargers auf der Erfolgswelle.
Gerade erst trug sie entscheidend mit dazu bei, dass das deutsche Team das Nationenpreis-Finale in Barcelona für sich entscheiden konnte. Wir haben die Senkrechtstarterin und aktuelle Nummer 43 der Weltrangliste zum sehr persönlichen Interview getroffen. Im Gespräch mit spring-reiter.de hat die sympathische 31-Jährige verraten, wie sie es ohne Pferde-Background in den deutschen Olympia-Kader geschafft hat, warum es bei Limbridge und Dorette nicht die Liebe auf den ersten Blick war, wie sie Pferde für sich gewinnt, was für einen Tick sie hat, wen sie abseits des Parcours gerne beobachtet und was sie so gar nicht ausstehen kann – das ganze Interview mit sehr privaten Einblicken – jetzt bei www.spring-reiter.de
Bereits im Alter von sieben Jahren hat es Jana Wargers erwischt: Das Pferdevirus dockte an und ließ die Emsdettenerin nie mehr los. „Angesteckt“ hat sie sich nicht bei ihren Eltern. Ihr Vater arbeitete in der Automobilbranche, ihre Mutter betrieb einen Zeitschriften-Laden – mit Pferden hatten sie bis dahin nichts zu tun.
„Alles fing durch einen Freund meines Vaters an, der hatte ein Pferd und er fragte mich und meine ältere Schwester: ´Wollt ihr nicht mal mitkommen?´ Und dann sind wir 1-2 Mal die Woche mitgefahren. Zuerst haben wir das Pferd nur geputzt und irgendwann sind wir auch ein bisschen geritten. Meine Schwester und mich hat das Pferdevirus quasi gleichzeitig gepackt und von dem Moment an gab es im Hause Wargers nur noch ein Thema, Pferde“, erinnert sich die Westfälin.
Die Eltern unterstützten das neue Hobby der Töchter, förderten sie mit regelmäßigen Reitstunden.
„In Emsdetten im Reitverein sind wir die Ponys geritten und dann sind wir irgendwann zu Kurt Holz gekommen, der in Emsdetten seinen Handelsstall hat und uns sehr förderte. Von da an ging es mit dem Turnierreiten von mir und meiner Schwester los. Meine Schwester war tatsächlich auch immer die Bessere“, verrät Jana Wargers lachend. Eine Karriere mit Pferden war dennoch nichts für sie.
„Meine Schwester hat irgendwann gesagt, ‚so, ich mach jetzt etwas anderes‘, und hat sich entschieden, einem ‚normalen Beruf‘‘ nachzugehen, aber bei mir ging das nicht. Die Pferde standen immer im Vordergrund“, erzählt Jana Wargers. Auch ihre Mutter appellierte an die Tochter: „Kind, mach erstmal was Vernünftiges, mach eine Ausbildung.“
Sie machte eine Ausbildung, als Pferdewirtin bei Familie Huser in Hörstel.
„Das war eine super Erfahrung, da habe ich viel gelernt, gerade den Umgang mit dem jungen Pferd, und ich fand das tatsächlich auch sehr wichtig für mich dieses Strukturierte mit der Schule nebenbei.“
Ein Leben ohne Pferde – für Jana Wargers undenkbar.
„Es war für mich immer klar, ich möchte mit Pferden arbeiten, ich möchte springreiten. Ich habe nie an meiner Entscheidung gezweifelt und das ist bis heute so“, sagt Jana Wargers, die bereits mit 15 Jahren ihre ersten S-Erfolge im Sattel feierte. Ein Feingefühl für die Pferde zu entwickeln, mit ihnen zu kommunizieren, eine Verbindung aufzubauen – das ist eine Herausforderung, die sie immer wieder fasziniert und auch antreibt.
Hat sie ihre Entscheidung Pferde zum Beruf zu machen jemals bereut? Jana Wargers lacht. „Es gibt immer mal so einen kurzen Moment, aber im Großen und Ganzen eigentlich nicht. Klar, im Winter ist es schon manchmal hart. Wenn man gefühlt 5 Jacken anhat, sind die Tage schon härter, als im Sommer. Ich glaube, im Sommer beneiden uns viele darum, dass wir den ganzen Tag draußen sind und wir auch mal da reiten, wo andere Urlaub machen. Das ist natürlich schön und das versuche ich mir auch immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Man kommt viel rum, man sieht vieles und lernt immer neue Leute kennen und das ist natürlich sehr spannend“, bringt Jana Wargers die Vorzüge der Berufsreiterei und auf den Punkt.
Auch wenn sie weiß, dass die Medaille immer zwei Seiten hat. Wie gefährlich der Sport sein kann, hat sie 2008 am eigenen Leib zu spüren bekommen. Damals trat ein Pferd sie mit dem Hinterbein in den Bauch: „Ich hatte einen Abriss von der Bauchspeicheldrüse und ein paar Blutergüsse. Das war nicht ganz ohne. Ich habe das zwar gut überstanden, aber so etwas vergisst man auch nicht“, erinnert sich die Springreiterin, die zu ihrem Schutz heute immer eine Sicherheitsweste trägt.
Nach einer Zeit als selbstständige Reiterin zog es Jana Wargers im Frühjahr 2021 nach Belgien auf die Ashford Farm des Iren Enda Carroll. Eine Entscheidung, die wichtige Weichen stellte. Ab hier begann die Erfolgsgeschichte des Holsteiners Limbridge (v. Limbus) mit Jana Wargers im Sattel. Bereits in ihrem ersten gemeinsamen Jahr qualifizierten sich die Beiden für den Großen Preis von Aachen. 2022 ging es auf der Erfolgsspur weiter – unter anderem mit einem zweiten Platz im Rolex Grand Prix von Rom. Anschließend nominierte Bundestrainer Otto Becker Jana Wargers und Limbridge für das Nationenpreisteam beim CHIO in Aachen. Gemeinsam durften sie mit der Mannschaft einen großartigen Sieg feiern. Im Anschluss folgte die Nominierung für die Weltmeisterschaften in Herning. Nach tollen Runden wurde sie am Ende Neunte bei ihrer ersten WM.
Große Erfolge, die bei ihr noch immer große Emotionen hervorrufen: „Der Sieg im Nationenpreis in Aachen vor Heimpublikum mit einem vollen Stadion, das war ein Moment, den vergesse ich nicht. Das waren einfach Emotionen pur. Und auch das Championat in Herning, die Weltmeisterschaft, wo ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden bin, das sind Momente, die man immer im Kopf hat.“
Eine rasante Reise in die Weltspitze des Springsports.
„Die Ashford Farm ist für mich eine riesen Chance gewesen und ist es auch immer noch. Die Unterstützung, die ich hier bekomme, ist unglaublich. Pferde wie Limbridge oder auch eine Dorette zu haben und zu wissen, man kann sie behalten und darauf aufbauen, ist für mich nicht selbstverständlich. Ich habe jahrelang in einem Handelsstall gearbeitet und immer, wenn das Pferd auf dem Höhepunkt war, ist es verkauft worden. Natürlich habe ich schnell gelernt, dass das dazugehört. Daher weiß ich das jetzt umso mehr wertzuschätzen, dass ich hier diese Chance habe, die Pferde zu behalten. Ich bin unglaublich dankbar dafür und ich glaube, das ist jetzt auch so ein bisschen dieser Schlüssel, dass jetzt dieser Erfolg da ist, weil man eben immer die gleichen Pferde mit so viel Qualität hat. In so einer Situation geht man natürlich auch viel selbstverständlicher an die Sache ran und ist selbstsicherer. Das macht viel aus und ist sicher auch eine Ausnahme“, weiß Jana Wargers.
Auch wenn es bei den beiden Vierbeinern und ihr nicht die „Liebe auf den ersten Blick war“.
„Beide Pferde sind bei uns angekommen und es gab ein Fragezeichen, ob wir das in die richtige Bahn bekommen. Limbridge kam damals aus Amerika und das war tatsächlich am Anfang nicht gleich perfekt. Das hat ein bisschen gebraucht, bis wir zusammengefunden haben, bis ich das richtige Gebiss hatte und wir uns wirklich aufeinander abgestimmt hatten. Aber ab diesem Moment konnte es eigentlich nicht besser laufen. Ich fühle mich super sicher auf ihm und er gibt schon sehr viel für mich.
Und bei Dorette war das ähnlich, sie ist unheimlich speziell. Ich glaube schon, dass etwas dran ist, dass Fuchsstuten spezieller sind als andere Pferde, aber wenn man sie erstmal auf seiner Seite hat, dann machen die alles für einen, dann kämpfen sie richtig. Deswegen bin ich auch so froh, diese beiden Pferde zu haben, die mir auch unheimlich viel bedeuten und ans Herz gewachsen sind“, schwärmt Jana Wargers über ihre Sportpartner.
Und wie bekommt sie die Pferde auf ihre Seite?
„Ich versuche immer, mich aufs Pferd einzustellen und nicht die Pferde auf mich einzustellen. Ich möchte ein Miteinander schaffen. Ich finde es unheimlich wichtig, dass ein Pferd ein Pferd bleibt. Das heißt, dass es auf die Koppel geht, mal ins Gelände und nicht nur jeden Tag sture Dressur- oder Springlektionen absolviert. Die Pferde sollen happy sein und Spaß an dem haben, was sie tun. Das ist auch ein sehr großer Punkt bei Dorette. Am Anfang hatte ich das Gefühl, dass es eher ein Kampf war mit ihr. Sie hat unfassbar viel Energie und Ehrgeiz und wir haben uns im Team überlegt, dass wir sie nicht wie ein normales Pferd behandeln. Wenn ich sie reite, gehe ich nicht nur auf den Platz, sondern ich nutze die ganze Anlage. Entweder reite ich auf der Straße oder auf unserem Grasplatz oder auf der Rennbahn. Damit Dorette immer Abwechslung hat. Nach dem Reiten geht sie den Rest des Tages auf die Wiese. Das ist etwas, was für ihren Kopf total wichtig ist und so haben wir es irgendwie hinbekommen, dass sie glücklich ist. Und dann hat sich das Blatt auch beim Springen gewendet und ich hab gemerkt‚ boah, die will und die kämpft und das ist das, was mich eigentlich immer am glücklichsten macht“, erklärt die Reiterin ihre Ausbildungs-Philosophie.
Beide Top-Pferde von Jana Wargers sind jetzt 14 Jahre alt. Und sollen am Ende ihrer Sportkarriere auch bei der Ashford Farm in Rente gehen. Doch bis es soweit ist, stehen noch große Ziele auf der Agenda. „Nächstes Jahr ist natürlich ein sehr interessantes Jahr. Olympia in Paris ist das Ziel und wir richten unseren Plan danach aus“, verrät die Kader-Reiterin. Auf welches Pferd sie bei einer Nominierung am Ende setzen würde, weiß sie heute noch nicht: „Ich glaube, da dürfen wir uns nicht so festlegen. Wir versuchen für beide Pferde einen guten Plan auszuarbeiten und beide für nächstes Jahr absolut auf den Punkt vorzubereiten.“
Olympia 2024 in Paris – diesen Traum träumen auch andere deutschen Spitzenreiter. Spürt sie großen Konkurrenz-Druck? „Ich muss sagen, ich versuche mir da selbst keinen Druck zu machen und ich glaube fest daran, dass das auch der beste Weg ist. Natürlich gibt es bestimmt auch Neider und die Konkurrenz ist auf jeden Fall da, aber ich muss sagen, dass ich das noch gar nicht so erleben musste. Bis jetzt fühle ich mich, egal in welchem Team oder unter welchen Leuten, immer sehr wohl und willkommen.“
Die nächsten Wochen steht für Jana Wargers erst einmal die Förderung der Nachwuchspferde bei der Sunshine Tour in Spanien auf dem Programm. Besonders viel Hoffnung setzt sie in die neunjährige irische Stute Rockwell RC (v. Kannan), mit der sie schon Zweite im Grand Prix in Peelbergen war. „Ich habe sie erst vier Monate. Aber sie gibt mir jetzt schon das Gefühl, dass das nochmal etwas Besonderes ist. Sie ist sehr ehrgeizig, also so der Typ Pferd, der mir liegt“, beschreibt Jana Wargers ihre Zukunftshoffnung, die genau ihrem vierbeinigen Traum-Typ entspricht.
„Mir liegen diese etwas spritzigeren und blutgeprägteren Pferde einfach besser. Mir ist es wichtig, dass mir die Pferde das Gefühl geben, wir machen das zusammen, ich kämpfe für dich,“ erklärt die Springreiterin. Natürlich sei auch Vermögen und Vorsicht wichtig: „Aber ich reite lieber ein Pferd mit etwas weniger Vermögen, dafür aber mit einem klaren Kopf und Intelligenz, als ein großes eher langsames Pferd mit unglaublichem Vermögen, dass aber am Ende nicht clever genug ist.“
Der Weltmeister King Edward (v. Edward) von Henrik von Eckermann wäre so einer, den sie gerne mal „testen“ würde, oder die Europameisterin DSP Chakaria (v. Chap) von André Thieme.
Hat sie eine Idee, wie man die Kritik am Reitsport entkräftet? „Ich glaube, dass viele Leute gar nicht mitbekommen, wie viel wir eigentlich für unsere Pferde tun, damit es ihnen an nichts fehlt. Die Pferde sind unsere Sportpartner und keine Maschinen. Sie müssen sich genauso wohlfühlen wie wir uns auch und vielleicht muss man den Leuten einfach einen größeren Einblick in unsere tägliche Arbeit geben. Damit sie sehen und nachvollziehen können, dass die Pferde unsere Partner sind. Ich glaube, das ist etwas, was wir selber noch mehr in die Außenwelt tragen könnten“, findet die Spitzenreiterin, die sich selber als großen Familienmenschen bezeichnet.
Täglich telefoniert sie mit ihren Eltern. Regelmäßig pendelt sie zwischen der Arbeit in Belgien und der Heimat Emsdetten hin und her. „Da ich in Belgien arbeite und lebe, meine Familie und mein Freund aber in Deutschland sind, versuche ich jede freie Minute nach Hause zu fahren, das ist mir total wichtig“, erzählt Jana Wargers. Ihr Freund betreibt einen Pensions- und Handelsstall in Norderheide. „Es ist natürlich nicht einfach, so eine Fern-Beziehung zu führen. Aber mein Freund weiß eben auch, dass die Ashford Farm eine einmalige Chance für mich ist, und daher unterstützt er das total“, freut sich Jana Wargers, die zu Hause die Zügel auch gerne mal gegen einen Tennisschläger tauscht.
Irgendwann wird es wohl „darauf hinauslaufen“, dass sie gemeinsame Sache machen, sich zusammen ein Unternehmen aufbauen. Aber bis dahin ist es noch Zeit.
Wer kocht besser, sie oder ihr Freund?
Die Amazone schmunzelt: „Da ist bei uns beiden noch Luft nach oben. Ich esse gerne Salat mit Hähnchen oder Pasta mit Garnelen. Das bekomme ich ganz gut hin, verhungern tue ich nicht.“
In ihrer wenigen Freizeit trifft sie sich gerne mit Freunden, hört am liebsten Schlager, geht zum Ausgleich auch mal laufen, „da bekomme ich den Kopf frei“, oder beobachtet Menschen im Café. „das mache ich total gerne“.
Was sie wirklich ärgert, sind Leute, die während eines Gesprächs ständig auf das Handy schauen und nicht richtig zuhören. „Also das mag ich wirklich gar nicht. Dann stehe ich auch schon mal auf und gehe“, sagt Jana Wargers, die sich eher als ruhig und ausgeglichen beschreibt.
Einen kleinen Tick, verrät sie, hat sie auf Turnieren aber manchmal dennoch: „Wenn ich am ersten Tag auf einer Toilette war und reite danach und es war gut, dann habe ich immer das Verlangen, wieder auf diese Toilette zu gehen. Manchmal ist es so schlimm, dass auch andere Toiletten frei sind, ich dann aber tatsächlich warte, bis diese eine frei ist.“
Jana Wargers muss über sich selber lachen. Sie lacht zum Glück gerne und ganz offen –eben in jeder Hinsicht eine perfekte Botschafterin des Reitsports.