Er ist in diesem Jahr in den Olymp aufgestiegen, hat mit seiner Goldmedaille in Paris Reitsport-Geschichte geschrieben: Auch beim CHI in Genf hat Christian Kukuk gerade wieder Spitzenleistungen abgeliefert, vom Sieg mit dem neunjährigen Chagoerge (v. Chacco-Blue) im CSI5* Prix des Communes Genevoises über 1,55m bis zu Top-Platzierungen mit Just Be Gentle (v. Tyson) im Rolex Top Ten Finale und mit seinen Olympia-Partner Checker (v. Comme il Faut) im Rolex Grand Prix. spring-reiter.de hat mit dem Olympiasieger in Genf über seine ungebrochene Motivation nach dem Gold von Paris, über intelligente Pferde, grundsätzliche Kritik am Reitsport und seine persönlichen Pläne gesprochen.
Du hattest so ein erfolgreiches Jahr, ist das noch zu toppen?
Christian Kukuk: “Also, ich bin schon unfassbar dankbar und glücklich über das Jahr. Alles, was noch kommt, ist irgendwie eine Zugabe.”
Nach der EM in Rieseneck 2021 hast Du sehr mit dir gehadert, weil du „nur“ Vierter bei der Heim-Europameisterschaft geworden bist. Jetzt bist Du die Nummer 7 der Weltrangliste, bist Olympiasieger und das bleibt für immer. Hat es dafür auch das Ergebnis in Riesenbeck gebraucht?
Christian: “Auf jeden Fall. Diese Momente hat jeder Sportler auf unterschiedliche Weise wahrscheinlich, aber diese Momente hat jeder durchgemacht und das hat die großen Sportler so stark gemacht, dass sie diese persönlichen Niederlagen verarbeitet haben und ihre Lehren draus gezogen haben und besser geworden sind.”
Ist es schon richtig bei Dir angekommen, dass Du Olympiasieger bist?
Christian: “Das ja auch irgendwie schwierig zu greifen, wann es wirklich bei mir angekommen ist. Das ist ja auch bei zehn Menschen zehnmal verschieden. Ich kann dennoch grundsätzlich für mich sagen, dass es bei mir angekommen ist, ja, und dass ich das sehr positiv finde. Man hört ja immer wieder Geschichten, dass Sportler nach so einem Erfolg in ein Loch fallen und vielleicht die Motivation nicht aufrechterhalten können oder keine neuen Ziele stecken können, aber das ist bei mir gar nicht der Fall. Ich sehe das immer noch total positiv, alle Nachwehen, die damit zu tun haben, habe ich gern gemacht. Ich war bei super vielen Terminen, das ist tatsächlich auch immer noch so, aber da habe ich nie das Gefühl gehabt, dass ich verpflichtet bin, sondern ich habe das immer gern gemacht.”
Man könnte natürlich auch sagen, man ist Olympiasieger, das ist nicht mehr zu toppen und jetzt hört man auf?
Christian lacht: “Ja, aber zum einen bin ich dafür viel zu jung und zweitens viel zu motiviert. Der Reitsport ist mein Leben, meine Passion. Das mache ich nicht nur ein paar Jahre und schaue dann mal nach etwas Anderem, sondern das wird mein Leben lang meine Sache sein. Mein Herz wird für immer im Reitsport stecken und jeder, der so etwas gefunden hat, kann sich, glaube ich, glücklich schätzen, und deshalb bin ich weit davon entfernt zu sagen „Olympia Gold danke und jetzt tschüss, das war‘s, jetzt mache ich etwas Anderes“. Ich habe mir schon neue Ziele gesetzt, dafür habe ich auch nicht lange gebraucht, und jetzt geht’s weiter.”
Was sind Deine aktuellen Ziele?
Christian: “Ich bin in dieser Woche in Frankfurt, meine Pferde Just Be Gentle und Checker fliegen übernächste Woche nach Amerika, nach Wellington, und ich bin von Januar bis April dort. Reite die ganze Tour dort mit, komme vielleicht zwischendurch, je nachdem wie es läuft, nach Hause und reite in Europa ein paar Turniere. Hertogenbosch kommt da ein bisschen in Frage, wobei ich da gucken muss. Denn zwei Wochen später steht bei uns die Geburt an. Da gibt es also ein paar Unwegbarkeiten, die noch nicht so richtig zu planen sind. Aber grundsätzlich bin ich erstmal in Amerika bis April. Versuche da den bestmöglichen Job zu machen mit meinen Pferden und erfolgreich zu sein. Dann gibt es im nächsten Jahr eine Europameisterschaft, dann die Global Champions Tour, die immer sehr wichtig ist für uns, also da kommt wie jedes Jahr genug auf einen zu.”
Du wirst im Frühjahr Vater?
Christian: “Theoretisch kommt unsere Tochter am 5. April, also das ist der errechnete Termin.”
Und was sind anschließend die mittelfristigen Ziele?
Christian: “Also das mittelkurzfristigste Ziel ist die Weltmeisterschaft 2026 in Aachen.”
Hast Du auch schon einen Plan, welches Pferd Du dort reiten willst?
Christian: “Das ist natürlich schwierig planbar, aber trotzdem muss man das frühzeitig im Blick haben. Denn kurz vor Schluss ein Pferd zu finden, ist das schwierigste. Am besten ist es natürlich, wenn du dir eine Gruppe von Pferden aufbaust, mit der du planen kannst. Ich bin in der unfassbaren glücklichen Situation, dass ich so eine tolle Gruppe an Pferden zusammen habe im Stall und auch alle 2026 noch im absoluten Championats-Alter sind, sogar ein oder zwei davon, die dann erst ins Championats-Alter hineinwachsen. Also, Stand heute, habe ich dafür eine super Truppe zusammen, versuche das aufrecht zu erhalten und dann wird man 2026 sehen, wer sich da hoffentlich als Favorit herauskristallisiert.”
Was muss ein Pferd haben, dass es deine Aufmerksamkeit weckt?
Christian: “Intelligenz.”
Woran machst Du die fest?
Christian: “Das merkt man relativ schnell. Das Wichtigste ist eigentlich das Ohrenspiel, dass es tatsächlich ein Spielen gibt, dass das Pferd das Umfeld wahrnimmt und auf verschiedene Dinge reagiert – im Idealfall immer mit gespitzten Ohren. Bei einem jüngeren Pferd kann es natürlich sein, dass die Ohren nicht immer nur nach vorne zeigen, sondern es da auch noch Unsicherheiten in verschiedenen Momenten gibt. Mir ist nur einfach wichtig, dass das Pferd teilnimmt am Leben und interessiert ist. Sachen in der Umgebung wahrnimmt. Gerade wenn sie jung sind, dürfen sie auch noch frisch, keck und frech sein. Am wichtigsten ist, dass sie das leben und lieben, was sie tun.”
Und wie gewinnst Du das Vertrauen der Pferde?
Christian: “Am Ende muss man jedes Pferd ganz individuell betrachten. Es gibt Pferde, die schon von sich aus sehr selbstbewusst sind, und es gibt Pferde, die sind von Natur aus eher schüchtern. Bei den Pferden, die schüchtern sind, muss man dann wirklich das Vertrauen herstellen und für sich gewinnen. Bei den Selbstbewussten muss man auch mal sagen „Ey, ich bin eigentlich derjenige, der hier den Weg vorgibt, und wir müssen jetzt zusammen einen Weg finden.”
Was für Typen sind denn Deine Pferde?
Christian: “Selbstbewusst sind Just be Gentle und Checker. Ein bisschen schüchtern ist Chageorge, der ist aber auch erst neun Jahre alt, muss man fairerweise sagen, aber er ist eben von Natur aus ein bisschen schüchtern. Mumbai ist weder das eine noch das andere. Es gibt so viele verschiedene Facetten im Stall und das ist das, was den Reiz ausmacht. Mit verschiedenen Charakteren zu arbeiten und zu versuchen, jeden Charakter mit meinem Charakter zu verbinden und einen Weg zu finden und erfolgreich zu sein. Darum geht’s. Das ist wie mit Menschen. Ich als Reiter habe meine Philosophie, mein System, meine Idee, aber das ganze Paket muss ich dann auf jedes Pferd individualisieren.”
Jetzt hast Du ja ein neues Pferd im Stall, Richard Vogels Erfolgspferd Cepano Baloubet. Der hat ja schon so viel gewonnen: Ist es dann nicht besonders schwierig, den eigenen Weg zu finden?
Christian: “Nö, eigentlich gar nicht. Am Ende macht es keinen Unterschied, ob das Pferd schon viel gewonnen hat. Ein Pferd ist ein Lebenwesen, das zu mir in den Stall kommt und mit dem ich versuche, eine Beziehung aufzubauen, die dann im Idealfall am Ende auch wieder erfolgreich ist. Also ich für mich sehe das gar nicht schwierig. Cepano hat schon so viel gewonnen, das muss ich ihm nicht beibringen. Am Ende muss ich versuchen, ihn auf meinem Weg mitzunehmen und zu verstehen. Also ich werde nicht versuchen, jedes Springen mit ihm zu gewinnen. Das ist nicht meine Philosophie, sondern ich versuche immer, ein paar Highlights herauszupicken, und dann müssen wir gucken, wie das funktioniert.”
Aber er ist schon einer für größere Aufgaben, auch im Hinblick auf Aachen 2026?
Christian: “Natürlich, also im Idealfall wäre das so. Welches Potential in ihm steckt, hat er schon bewiesen. Das Wichtigste ist, dass wir beide jetzt langsam zusammenfinden und einen anderen Weg beschreiten. Ich bin ein anderer Reiter als Richi Vogel, und dann wird sich am Ende zeigen, wo der Weg hinführt.”
Was sagst Du den Leuten, die den Reitsport am liebsten abschaffen wollen?
Christian: “Die würde ich am liebsten auf eins unserer Events einladen oder auch zu uns nach Hause, weil ich glaube, dass der Großteil meist gar keinen Bezug zum Pferd hat. Wenn die mal hinter die Kulissen gucken würden, würden die darauf ganz anders blicken und viele Dinge besser verstehen. Sie würden sehen, wie wir unsere Pferde behandeln, was wir für unsere Pferde tun. Viele Haustiere sind weit entfernt von dem Umgang, den wir mit unseren Pferden pflegen. Und wenn wir über das Pferd als Athlet sprechen, ist das wie beim Menschen. Nur einer, dem es gut geht und der sich gut fühlt, kann gute Leistungen erbringen und so ist das mit den Pferden auch. Die können auch nur gute Leistung erbringen, wenn sie sich wohl und gut fühlen. Dafür tun wir alles, das ist unser Leben.
Es sollte doch zu den Grundzügen eines Menschen gehören, erst einmal offen zu sein. Und wenn das so ist, haben wir wirklich tolle Möglichkeiten, unseren Sport so zu zeigen, wie er eben ist und zwar schön. Ich finde, wir haben etwas ganz Tolles in Paris für den Reitsport getan und da spreche ich jetzt nicht nur von mir persönlich, weil ich die Goldmedaille gewonnen habe. Das war eine tolle Sache, keine Frage. Aber wenn man das Gesamtbild ,Reitsport’ sieht, was dieses Event in Paris, diese Olympischen Spiele für ein Potential für positive Emotionen hatte in allen Disziplinen. Egal, ob Springreiten, Gelände, Dressur – alle drei Disziplinen haben unglaubliche Werbung für unseren Sport gemacht.
Ich würde mir manchmal wünschen, dass dieser Ball in der Öffentlichkeit auch noch öfter gespielt wird. Das ist mir nach den Spielen aufgefallen, dass unser Verband dann ganz schnell wieder in die Deckung gegangen ist und all das hat fallen lassen, was da gerade eigentlich von uns auf dem Silbertablett serviert wurde. Ich meine, dass wir unseren Verband da auch ein bisschen in die Pflicht nehmen dürfen. Wir haben bei Olympia abgeliefert und das andere gehört zu den Aufgaben des Verbandes, den Sport in der breiten Masse publik zu machen. Wenn ich sehe, wie viele Menschen nach Paris auf mich zugekommen sind. Auch Menschen, die nichts mit dem Reitsport zu tun haben, die mir für die Goldmedaille gratuliert, aber gleichzeitig auch gesagt haben: ,Mensch, das war so unglaublich spannend und elektrisierend anzugucken. Ein toller Sport, die Emotionen, die Kulisse und das Gesamtpaket waren unfassbar, wenn man gesehen hat. Gerade vor den Olympischen Spielen hat es ja fast ausschließlich nur negative Berichterstattung gegeben.’ Das war nach diesen Spielen verpufft, weg und ich hätte mir gewünscht, dass das deutlich mehr bespielt worden wäre.”
Das Problem ist aber ja auch, dass es immer wieder Negativ-Schlagzeilen im Reitsport gibt…
Christian: “Ja, das Negative wird sofort aufgeblasen und bespielt. Das Positive wird dann mitgenommen und flacht dann wieder sehr schnell ab. Ich glaube, da haben wir einfach noch so viel mehr Potential, das den Menschen zu zeigen.”
Da fehlt es natürlich auch an Präsenz des Reitsports im Fernsehen?
Christian: “Genau, aber dafür ist doch genau eine Presse- und Marketingabteilung beim Verband da, dass die ihre Kraft einsetzen müssen, um den Reitsport in verschiedenen Medien publik zu machen. Grundsätzlich sind nicht nur Medien sensationsgeil, leider ist unsere Gesellschaft auch so, dass die da gerne draufspringen und die Welt hat sich einfach sehr ins Negative entwickelt. Wir hören, gefühlt, lieber negative als positive Sachen. Wir können uns an negativen Sachen mehr hochziehen als an positiven Sachen, was unfassbar schade ist. Weil das am Ende unser Leben ausmachen sollte, dass wir positiv auf Dinge gucken, nach vorne sehen und das, was gewesen ist, auch mal gewesen sein lassen.”
Hast Du jemals überlegt, Dich jetzt selbstständig zu machen?
Christian: “Nee, ich fühle mich total wohl da, wo ich bin. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich das jetzt kurzfristig ändern müsste. Ich lebe in der Gegenwart, im Hier und Jetzt, und versuche kurzfristig einen Plan zu entwickeln. Aber was in vier oder fünf Jahren ist, das jetzt zu sagen, ist super schwer. Vielleicht sitzen wir hier und haben die gleiche Situation und ich fühle mich immer noch genauso wohl, vielleicht ändert sich die Situation, weil sich persönliche Dinge ändern. Das kann man nicht einschätzen, aber jetzt gerade fühle ich mich super wohl und habe nicht die Absicht, mich selbstständig zu machen.”
Interview: Corinna Philipps