Was macht ein 27 Jahre junger Reiter aus Schleswig-Holstein, wenn plötzlich Peder Fredricson vor ihm steht und ihn fragt: Willst Du nicht für Schweden reiten?
Robin Naeve ist die Antwort am Ende sehr leichtgefallen. spring-reiter.de hatte ihn und Vater Jörg Naeve eigentlich auf der Familienanlage in Bovenau besucht, um über das bevorstehende Turnier zu sprechen und darüber, wie das Vater-Sohn-Team so funktioniert. Aber dann nahm das Gespräch eine überraschende Wendung.
Die Geschichte mit Peder Fredricson begann, wie so viele Reitergeschichten, bei Paul Schockemöhle. Robin Naeve, der trotz der väterlichen Vorprägung selbst erst mit 16 Jahren zum Reiten fand, war im vergangenen Jahr für sechs Monate als angestellter Bereiter bei Paul Schockemöhle in Mühlen und erzählt:
„Das war natürlich ganz anders als hier. Hier sind auch mal die Tage lang, aber das lässt sich gar nicht vergleichen. Das fing um 5.40 Uhr mit Andreas Kreuzer mit Dressurunterricht an – und dann hatte man keine Mittagspause und einen langen Tag. Aber es hat sich eben auch gut angefühlt, weil man merkte, man kommt weiter. Andreas steht mit 110 Prozent dahinter, und wenn der sagt, er ist morgens um 5.40 Uhr in der Halle, dann bis Du schon um 5.20 Uhr da. Aber Du ziehst mit, weil Du merkst, der hat so ein Interesse an Deinem Erfolg.“
Vor allem aber: „Andreas hatte auch schon drei Monate vorher den Plan: In Neumünster, bei den VR Classics, muss das klappen.“ Es gab viele Vorbereitungsturniere, doch „in Neumünster sprangen die Pferde zwar super, aber irgendwie hatten sie immer einen oder zwei um.“
Vater Jörg erinnert sich: „Ich war in Spanien. Da haben wir am Samstag um Mitternacht telefoniert. Papa, irgendwie klappt das alles überhaupt nicht, sagte Robin.“
Aber: „Am nächsten Tag dann Zweiter im Großen Preis.“ Robin Naeve strahlt immer noch. „Als ich Papa gesagt habe, dass ich jetzt mal versuchen will, in Göteborg ins Weltcup-Turnier reinzukommen, ich könnte mit Hannes Ahlmann aufladen, der da hinfährt, da hat Papa gesagt, nun bleib mal auf dem Boden. Nur weil es gerade in Neumünster gut lief – Göteborg ist noch einmal eine ganz andere Nummer. Aber meine beiden Pferde waren super drauf und ich habe mir gedacht, ich versuche es einfach mal.“
Also hat er Bundestrainer Otto Becker kontaktiert und dann den Turnierveranstalter angerufen. „Da hilft sicher, dass Schwedisch auch meine Muttersprache ist.“
Fügt der stolze Papa an: „Und wie das dann dort lief, das war ja gigantisch.“ Robin schwärmt noch immer von diesen Tagen im Februar: „Dann fährt man drei, vier Tage später nach Göteborg. Reitet sechs von sechs Runden ohne Fehler, im Großen Preis nur ein Zeitfehler als erster Starter.“
Robin erklärt seine schwedische Verwurzelung: „Meine Mutter ist ja Schwedin, die lebt auch in Schweden. Ich habe auch fünf Jahre in Schweden gelebt, im Alter von 12 bis 17, und habe auch die deutsche und die schwedische Staatsbürgerschaft. Erst als ich mit der Reiterei angefangen habe, bin wieder hierher nach Schleswig-Holstein gezogen.“
Als er beim Weltcup in Göteborg war, lief jedes Springen gut. „Ich bin ja vorher nie auf diesem Niveau vertreten gewesen, deshalb war ich für viele auch ein neues Gesicht. Am Samstag kam dann Peder Fredricson zu mir und hat mich gefragt: Du bist doch auch Schwede. Kannst Du Dir vorstellen, für Schweden zu reiten? Wir haben eine super Spitze, aber uns fehlt so ein bisschen die Tiefe im Kader. Das ist eine gute Truppe und wir fördern das alles. Wir haben so 20 Minuten gesprochen. Wenn so einer auf dich zukommt, geht der Puls doch noch mal ein bisschen hoch.“
Am nächsten Tag folgte ein Treffen mit dem schwedischen Bundestrainer Henrik Ankarcrona. „Die waren zu Dritt vom schwedischen Verband zu dem Meeting gekommen. Ankarcrona hat von seiner Vision erzählt, wie es gehen kann, was sie planen. Er hat auch erklärt, dass er alles nur für den schwedischen Verband tut, dass das seine einzige Aufgabe ist, er keine Pferde hat oder vermittelt. Das hörte sich alles sehr gut an. Deutschland hat natürlich eine ganze andere Breite an Reitern, dann können sie sich auch ein bisschen mehr ausruhen. Schweden muss richtig dafür arbeiten, dass da was nachkommt.“
Sie haben ihn überzeugt: In der vergangenen Woche hat Robin Naeve jetzt als Reiter die Nationalität gewechselt. Nach Ablauf der üblichen Sperrfrist darf er ab 2026 für Schweden auch in Nationenpreisen starten. „Da öffnet sich natürlich auch noch mal eine ganz andere Tür. In Schweden ist Reiten schon ein richtiger Volkssport.“ Und Vater Jörg hatte damit auch kein Problem: „Dann können wir zwar nicht mehr in einem Nationenpreis-Team starten, aber in Konkurrenz.“ Aber das kennen sie ja: „Auch hier haben wir uns auf Turnieren viel gebattelt, in Al Ain im Dezember 2023 wurden wir im Stechen Robin Erster und ich Zweiter. Er hat im Moment das etwas schnellere Pferd, aber mit der Höhe kriege ich ihn noch ab und an.“
Hier in Bovenau, 20 Kilometer westlich von Kiel und rechts vom Nord-Ostsee-Kanal, ist typisches Holstein. Der Blick schweift in die Weite, über bestellte Felder, unterbrochen von Knicks. Ein paar Kilometer weiter, auf der anderen Seite des Kanals, in Wittensee hatte der Vater von Jörg Naeve einen landwirtschaftlichen Betrieb, wo der Nationenpreisreiter aufwuchs und „wo ich bei meinem Onkel Hans-Jürgen Naeve geritten bin. Nach der Schule hat mein Vater gedrängt, dass ich eine kaufmännische Ausbildung mache. Dann habe ich drei Jahre Steuerfachgehilfe gemacht. Und dann war ich richtig heiß loszuziehen und bin eineinhalb Jahre in die Schweiz zu Thomas Fuchs gegangen. 1993 habe ich hier in Bovenau Gewerbe angemeldet.“ Schritt für Schritt hat er dann das aufgebaut, was heute hier mit schmucken Häusern, gepflegten Rasenflächen und Ebbe-Flut-Plätzen glänzt.
Jörg Naeve hat für Kritiker des Reitsports eine klare Antwort: „Wie unsere Pferde gehalten werden, so leben manche Menschen nicht. Die werden verhätschelt. Es wird so viel um und mit dem Pferd gemacht.“ Aber bei aller Begeisterung weiß er aus eigener Erfahrung eben auch: „Es ist ein toller Sport – und selbst wenn Du glaubst, Du hast alles auf der Reihe, kann es am nächsten Tag ganz anders sein. Das spüren wir am eigenen Leib immer wieder.“
In Bovenau haben sie so um die 25 Pferde. „Die meisten sind eigene. Wir züchten auch ein wenig mit ein paar Sportstuten. Wir haben drei Dreijährige aus diesen Stuten – aber es ist mehr eine Passion als alles andere. Unser Hauptgeschäft ist der Pferdehandel. Wir haben aber kein Tagesgeschäft, dass da jeden Tag Leute kommen. Bei uns ist das gezielt auf die guten Pferde ausgerichtet. Wir kaufen junge Pferde ab vierjährig, aber auch mal einen Sieben- oder Achtjährigen. Wir gucken auf den ländlichen Turnieren. Wenn du sie auf Turnier siehst, kannst du sie auch noch mal sehen und gucken, was haben sie schon vorher gemacht.“
Beim Handel mit den von ihm und Robin ausgebildeten Pferden helfen seine weltweiten Kontakte, vor allem auch der zu Thomas Fuchs und dessen Familie in die Schweiz. „Einer unserer Hauptkunden ist Thomas Fuchs. Mit dem habe ich auch Pferde zusammen. 1989/90 bin ich für ihn geritten und seitdem mache ich viel mit ihm zusammen. Auch mit Martin habe ich zusammen mal ein Pferd gekauft. Mit Thomas habe ich gerade zusammen einen Siebenjährigen gekauft. Da bin ich nach Portugal geflogen und haben ihn dort mit ihm zusammen probiert. Ein richtig gutes Pferd, Dominator x Lord Pezi. 1,85 m groß. Der ist dreißigmal Null gegangen. Den sollten wir zur Ausbildung bekommen. Das habe ich gemacht und den will ich jetzt mal ein bisschen mitnehmen. Mal sehen… Wenn ich mit Thomas ein Pferd zusammen habe, dann ist der Kundenkreis natürlich noch viel größer. Das ist ein bisschen einfacher, als wenn ich ein Pferd allein habe.“
Und dann gibt es noch eine andere enge Verbindung. „Als Nayel Nassar in Hamburg aufs Internat ging, da war die ganze Familie fünf Jahre hier. Auch der Bruder. Und seitdem haben wir einen ganz engen Kontakt, sind mit ihm befreundet. Robins bestes Pferd gehört auch Nayel zur Hälfte. Wir waren auch zu seiner Hochzeit mit Jennifer Gates 14 Tage in New York, wo Robin best boy war. Das war schon gewaltig, da konnte man auch mal mit Bill Gates sprechen“, erinnert sich Jörg Naeve.
Und Robin ergänzt: „Ich kenne ihn schon so lange, er ist einfach ein Freund für mich. Wir haben Pferde zusammen, gerade habe ich noch eine neue Stute von ihm bekommen als gemeinsames Projekt. Die ist jetzt sieben geworden. Die hat er selbst gezogen. Wir haben viel Kontakt.“
In der Corona-Zeit hat Jörg Naeve sich noch ein weiteres Standbein aufgebaut, die CSE Turnierreihe. Vier Turniere in der Draußen-Saison unter besten Bedingungen. Wer mitreiten will, muss Mitglied im Club zur Förderung des Springsports Ehlersdorf werden. Jörg Naeve erklärt das Prinzip: „Jedes Mitglied muss 500 Euro bezahlen plus Steuern pro Jahr, kann dafür alle vier Turniere reiten. In jeder Prüfung wird Geld ausgeschüttet. Und wenn einer ein bisschen dabei ist, dann hat er es auch schnell wieder raus. Ich mache da alles gerne, aber ich laufe auch nicht jede Woche dem Geld und den Sponsoren hinterher. Daraus haben wir das Konzept entwickelt, dass es sich für alle Seiten rentiert. Wir fangen Donnerstagmorgen an und ziehen das bis Sonntagabend durch. Wir haben dann über 200 Reiter hier. Wenn man ein ländliches Turnier macht und sich nicht richtig kümmert, dann wird es schwierig. Das Wichtigste ist, richtig Turnier-Atmosphäre zu bieten, mit Siegerehrung, mit Schleifen, mit Siegerdecken, mit allem, was dazugehört.“ Am 10. April geht es wieder los.
Und als Neuerung erwartet die VIP-Gäste jetzt ein schicker Neubau am Rande des Turnierplatzes an Stelle eines Pagodenzeltes. Pünktlich fertig geworden zur neuen Saison.
Vater und Sohn als Dream-Team: In Bovenau kann man es besichtigen.
Die Turnier-Termine in Ehlersdorf:
- 10.04. bis 13.04. 2025 bis S**
- 24.04. bis 27.04.2025 bis S**
- 03.07. bis 05.07.2025 bis S**
- 17.07. bis 20.07. 2025 bis S*** Finalturnier Alle INFOS auch bei naeve-horses.com