Es geht in die Zielgrade zu den Olympischen Spielen: In einer Woche, am 16. Juli, beziehen die Springpferde der deutschen Equipe ihre Quarantäne-Boxen in Warendorf, bevor es am 25. Juli für das Springreiter-Team und seine Vierbeiner mit dem Flieger Richtung Tokio geht. Bundestrainer Otto Becker und der Weltranglistenerste, Daniel Deusser, erzählen in einer Gesprächsrunde der FN, welche Medaillen-Chancen sie sich ausrechnen, mit welchen Gefühlen sie in Zeiten der Pandemie nach Japan fliegen und worauf sie sich besonders freuen.
Natürlich ist er einer der Top-Favoriten auf eine Goldmedaille. Auch wenn Daniel Deusser, gerade wieder als Nummer eins der aktuellen FEI Weltrangliste bestätigt, das nicht unbedingt so gerne hört. „Es gibt so viele gute Paare. Und jede Woche kämpfen wir erneut um die Nummer eins. Das ist auch bei Olympia so“, bringt es der 39jährige auf den Punkt.
Gute Chancen rechnet er sich und seiner Mannschaft unabhängig von der starken Konkurrenz aus. „Wir haben trotz einiger Ausfälle im Vorfeld ein starkes Team und gute Chancen auf Medaillen“, so Deusser zuversichtlich. Als einziger Springreiter mit Olympia-Erfahrung im deutschen Team mit André Thieme, Christian Kukuk und Maurice Tebbel hat ihn Bundestrainer Otto Becker kurzerhand zum „Captain“ ernannt.
Seine elfjährige Olympia-Stute Killer Queen VDM (v. Eldorado vd Zeshoek), die er bereits siebenjährig unter den Sattel bekam, habe eine sehr konstante Form und auf jeden Fall alle Möglichkeiten und genug Vermögen, einen olympischen Parcours zu springen. Ein Reserve-Pferd in der Quarantäne in Warendorf hat der gebürtige Wiesbadener nicht, da sich sein zweites Top-Pferd, Scuderia 1918 Tobago Z, bei der Longines Global Champions Tour in Madrid vor einigen Wochen „leicht verletzt“ hat und somit wertvolle Vorbereitungszeit verloren gegangen ist.
Auch wenn Daniel Deusser sich darüber bewusst ist, dass es diesmal alles ganz anders wird, freut er sich nach der Mannschafts-Bronzemedaille in Rio 2016 auf seine zweiten Olympischen Spiele: „Ich bin voller Erwartungen auf Tokio, auch wenn es sicher ganz spezielle Olympische Spiele werden. In Rio konnten wir bei anderen Sportarten zugucken, das wird in Tokio anders sein.“ Trotz und alledem sei Olympia „immer etwas ganz Besonderes, ein sportliches Highlight.“
Tatsächlich werden sich die Reiter in einer Art Bubble bewegen, können sie sich nur im Stadion oder dem Hotel aufhalten und werden über eine App streng kontrolliert. Sightseeing-Touren oder Ausflüge in Japan wird es aufgrund der strengen Corona-Regeln und der aktuell hohen Inzidenzen nicht geben können. Damit niemandem die sprichwörtliche Decke auf den Kopf fällt, erwägt Otto Becker, Kartenspiele mit ins Mannschaftsquartier zu nehmen. Eine Bowling-Bahn und eine Karaoke-Bar sind vor Ort im Hotel und bringen bei dem einen oder anderen vielleicht verborgene Talente zum Vorscheinen.
Die Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit in Japan macht dem im Belgien lebenden Spitzenreiter indes nicht so große Sorgen. „Wir sind gut vorbereitet. Die Pferde bekommen Elektrolyte, es gibt Hallen zum Abreiten.“ Er selbst hält sich mit Yoga und Stretching fit für die sportliche Herausforderung.
Den neuen veränderten Wettkampfmodus bei Olympia ohne Streichergebnis mit nur drei Team-Reitern findet Deusser „sehr gewöhnungsbedürftig“. Er hätte gerne den alten Modus mit Streichergebnis beibehalten. So sieht es auch sein Trainer, Otto Becker: „ Mit dem Streichergebnis bleibt es immer spannend bis zum Schluss. Jetzt dürfen wir uns keinen Fehltritt erlauben.“ Acht bis zehn Teams hätten, so schätzt der Equipe-Chef, Chancen auf Medaillen. „Und fünf bis sieben Mannschaften haben durchaus die Möglichkeiten, Gold zu holen.“ Auch deshalb habe man sich für einen starken und frischen Mannschaftsreiter Maurice Tebbel mit Don Diarado (bereits im Teamwettbewerb gesetzt und ohne Start im Einzel-Springen), entschieden.
Im Trainingslager nächste Woche in Warendorf wird Becker noch mal mit allen Olympia-Reitern individuell trainieren und hofft, dass alle gesund bleiben. Und Daniel Deusser verspricht: „Wir werden auf jeden Fall unser Bestes geben. Auch ohne Zuschauer vor Ort und für die Zuschauern am TV.“ spring-reiter.de wünscht dem deutschen Team tolle und erfolgreiche Olympische Spiele mit der nötigen Portion Glück! TEXT: Corinna Philipps
WETTKAMPFMODUS:
Im Springen sind Einzel- und Teamwettbewerbe strikt voneinander getrennt. Es werden jeweils zwei Prüfungen ausgetragen. An den ersten beiden Tagen geht es um die Einzelmedaillen. Alle 75 Reiter starten in der ersten Prüfung, einem Springen nach Fehlern und Zeit ohne Stechen. Die besten 30 Paare qualifizieren sich für das Einzelfinale, einem Springen nach Fehlern und Zeit mit einem möglichen Stechen.
Im Teamwettbewerb geht es wieder bei null los. Zugelassen sind drei Paare pro Team, es gibt also kein Streichergebnis. Jede Nation darf aber ein Reservepaar mit nach Tokio nehmen. Auch im Teamwettbewerb findet am ersten Tag ein Springen nach Fehlern und Zeit ohne Stechen statt, an dem alle 20 qualifizierten Nationen teilnehmen. Die besten zehn Mannschaften qualifizieren sich für das Teamfinale, in dem ein Stechen möglich ist.
TIMETABLE OLYMPIA:
Springen: Quarantäne in Warendorf: 16.-24. Juli Hinflug Pferde und Reiter: 25. Juli, Ankunft 26. Juli.
Vet-Check: 31. Juli, 17-19.30 Uhr; 5. August, 17-19 Uhr.
Trainingsspringen: 1. August, 19-22 Uhr
Wettkämpfe (Ortszeit): Qualifikation Einzel: 3. August, 19-22.45 Uhr, EINZEL FINALE: 4. August, 19-21.15 Uhr Qualifikation Mannschaft: 6. August, 19-22.05 Uhr, TEAM FINALE: 7. August, 19-21.05 Uhr Abschlussfeier: 8. August.