Was war das für ein Herzschlag-Finale: Plötzlich schien alles noch einmal auf der Kippe zu stehen: André Thieme ritt als Führender und damit als letzter Starter in den finalen Parcours ein, der über die Einzel-Europameisterschaft in Riesenbeck entschied. Und dann fiel eine Stange, die vollbesetzte Arena stöhnte auf. Aber dann brachte der Mecklenburger den Rest des Parcours mit seiner DSP Chakaria (v. Chap) souverän zu Ende und krönte sich zum neuen Europameister. Insgesamt 6,84 Punkte standen auf seinem Konto, 2,47 Punkte weniger als beim Titelverteidiger und Silbermedaillen-Gewinner Martin Fuchs mit Leone Jel (v. Baltic VDL). Bronze holte der Europameister von 2017, PederFredricson, auf Catch Me Not (v. Cardento).
Nach seiner Entäuschung in Tokio machte sich Thieme in Riesenbeck mit dem Titel des Europameisters selber das größte Geschenk: „Ich bin einfach so super happy mit der Stute. Sie hat sich heute morgen schon extra frisch angefühlt. Das war ein gutes Zeichen. Auch die erste Runde fühlte sich leicht genug für sie an. Ich wusste, eine weitere gute Runde wäre möglich. Und als ich dann sogar einen Fehler machen durfte, gab mir das natürlich erst einmal Sicherheit. Als ich dann eine Stange mitnahm, dachte ich oh, je! Aber dann haben wir es doch geschafft. Ich bin gesegnet mit diesen Pferd. Tokio kam für sie zu früh. Aber da hat sie etwas gelernt und ich auch“, freute sich der 46jährige nach seinem bisher größten Triumph.
Natürlich waren auch seine drei Siege beim Hamburger Derby etwas Besonderes, die vier Siege als Million-Dollar-Man in den USA enorm wichtig. Aber dieser Europameistertitel vor heimischen Publikum ist dann doch noch mal etwas ganz Besonderes. Auch weil viele Freunde und die Familie dabei waren. Und dann kam Thiemes Kernsatz: „Ich liebe die Stute so wie meine Frau, und meine Frau akzeptiert das auch“, scherzte Andre´nach seinem überragenden Erfolg. „Ich habe zwar noch ein paar Stunden Fahrt vor mir bis nach Hause, aber ich bin mir sicher, dass meine Fußballfreunde etwas für mich vorbereiten. Wenn meine Frau Corinna es erlaubt, gehe ich da heute noch hin.“
Titelverteidiger und Silbermedaillen-Gewinner Martin Fuchs ging als Vierter in die entscheidende zweite Runde am Sonntag – und rutschte nach seinem fehlerfreien Ritt langsam nach vorne. Das Glücksgefühl war entsprechend. Er drückte auf dem Podium den Sieger André Thieme herzlich und nahm dann die Champagnerflasche, um Veranstalter Ludger Beerbaum zu duschen. Der Schweizer Weltklassereiter war des Lobes voll über das tolle Turnier, dankte Ludger Beerbaum im Namen aller Reiter zu der gelungenen EM und war vor allem nur am Strahlen: „Natürlich ist es toll, wieder eine Medaille gewonnen zu haben, erst recht mit einem neunjährigen Pferd. Ludger hatte schon nach der ersten Runde zu mir gesagt, wir sehen uns Sonntag. Ich gehe mit zwei Medaillen nach Hause, Gold und Silber. Und ich hoffe, eines Tages bin ich wieder besser als André.“
Etwas mehr ausgerechnet hatte sich auch der Europameister von 2017, Peder Fredricson: „Ich war erst traurig, über Bronze, aber jetzt freue ich mich doch.“
Christian Kukuk, der an allen Tagen vorne mitgemischt hatte, zeigte sich etwas enttäuscht, dass es am Ende mit Mumbai knapp am Treppchen vorbei auf den vierten Platz ging: „Wir kamen leider in der ersten Runde an diesem Tag etwas zu schüchtern in die Kombination herein und dann wurde es für Mumbai zu schwierig. Trotzdem bin ich mit unserer Leistung in den letzten Tagen eigentlich ganz zufrieden.“
Mehr Pech, als David Will hatte, ging an diesem Tag kaum. Akribisch hatte er sich auf die zweite Runde vorbereitet, war den Parcours alleine, mit Bundestrainer Otto Becker und mit Kumpel Richard Vogel immer wieder abgegangen. Aber kurz vor dem Einreiten stürzte er beim Abspringen. Wohl auch als Folge dieses Zwischenfalls gab es zwei Abwürfe in der zweiten Runde, was am Ende immerhin noch Rang sieben bedeutete. Aller Ehren wert für einen Championatsneuling.
Bundestrainer Otto Becker war nur stolz, alle seine vier Reiter unter den Top Twenty bei dieser Europameisterschaft: „Wie cool ist das denn? Ich kann mich an das Gespräch mit André am Flughafen in Tokio erinnern, wo er überlegt hat, erst mal eine Pause zu machen und hier bei der EIM gar nicht zu starten, sondern erst wieder in Aachen. Da habe ich ihm gesagt, ich würde es umgekehrt machen. Du hast jetzt in Tokio Erfahrungen gesammelt. Dass das natürlich hier so ausgeht, ist einfach sensationell. Für das ganze Team. Dass Christian hier Vierter wird, David noch Siebter. Meine Erwartungen sind mehr als erfüllt. Ich bin total happy und mich freut es hauptsächlich für die Reiter.“
Marcus Ehning, der in der Endabrechnung 19. mit seinem jungen noch Championats-unerfahrenen Pferd wurde, sagte: „Stargold ist eigentlich super gesprungen, es hat sich sehr gut angefühlt.“ Die zwei leichten Abwürfe sind am Ende der mangelnden Routine des jungen Hengstes geschuldet. Aber seine tolle Performance lässt auf jeden Fall positiv in die Zukunft blicken, hofft Marcus.
Großes Pech hatte Steve Guerdat. Der Weltranglistenvierte konnte in der zweiten Runde seinen Albführen’s Maddox nach zwei Verweigerungen nicht zum Beenden des Parcours überreden. So wurde es am Ende Platz elf.
Die bei der EM über die Tage für Furore sorgende U-25 Reiterin, die 24jährige Griechin Ioli Mytilineou und ihr überragend springender Levis de Muze (v. Elvis ter Putte), gaben nach einer Unstimmigkeit an der Dreifachen zur Schonung des Pferdes auf. „Das war sicher richtig“, fand Veranstalter Ludger Beerbaum, der der jungen Amazone großen Respekt für ihre hervorragende Leistung zollte. Ein Paar, auf das man in Zukunft gespannt sein darf.
Am Ende des Tages waren sich Reiter und Besucher einig – was Ludger Beerbaum und sein Team bei der EM innerhalb weniger Monate auf die Beine gestellt haben, war besser nicht zu machen. Hier stimmte einfach alles. Und dann spielte auch noch Petrus mit. Das war großes Kino!
Das ganze Ergebnis:. hier