Der Generalsekretär der Deutschen Reiterlichen Vereinigung FN, Sönke Lauterbach, hat sich in einem Interview mit spring-reiter.de zu den Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen mit den neue Regelungen geäußert, die bei den Olympischen Spielen in Tokio galten.
Frage: In einem Interview hat der Vorsitzende des Springausschusses der FEI, Stephan Ellenbruch, gesagt, dass es auch bei den nächsten Olympischen Spielen in Paris keine Änderungen am Modus geben wird, dass bei Olympia also auch in Zukunft in Nationenpreisen ohne vierten Reiter und damit ohne die Möglichkeit des Streichergebnisses geritten wird. Sieht die FN das genauso und akzeptiert es trotz der Erfahrungen von Tokio?
Sönke Lauterbach: Stephan Ellenbruch ist so zu verstehen, dass das FEI Springkomittee keine Änderungsvorschläge gemacht hat. Abgestimmt wird über diesen Punkt bei der diesjährigen Mitgliederversammlung der FEI. Wir setzen uns dort für die Rückkehr zu vier Reitern pro Team ein. Die Frage ist, wie viele andere Nationen das auch tun werden. Denn bei den Abstimmungen gilt: ein Land, eine Stimme. Die Entscheidung der Mitgliederversammlung gilt es letztlich zu akzeptieren. Dieses Jahr wird übrigens nur über den Qualifikationsmodus entschieden. Damit ist die Größe der Teams, also 3 oder 4 Reiter, verbunden. Alle anderen Aspekte zum Modus stehen erst 2022 zur Entscheidung an.
Frage: Auch in Bezug auf die Trennung von Einzel- und Teamentscheidungen will das Internationale Olympische Komitee offenbar keine Rückkehr zu den bisherigen Regelungen zulassen. Wird sich die FN damit abfinden?
Sönke Lauterbach: Ich bin nicht ganz sicher, worauf Sie sich hier beziehen. Das IOC hat schon immer die Regelung, dass nicht zwei Medaillen, Team und Einzel, für ein und dieselbe Leistung vergeben werden dürfen. Das haben wir im Reitsport daher auch schon immer entsprechend getrennt. In der Dressur gewinnt der Einzelsieger in der Kür, im Springen im Einzelfinale und in der Vielseitigkeit gibt es ein zusätzliches Springen für die besten 25. Letzteres ist eine künstliches Konstrukt. Aber das gibt es nicht erst seit Tokio.
Frage: Das bedeutet doch in der Folge, dass Glück oder Pech an nur einem Tag über die Medaillen-Vergabe entscheidet ohne die Punkte zu berücksichtigen, die bereits zuvor errungen wurden. Ist dies pferdegerecht und fördert dies nicht die Möglichkeit einer Lotterie, dass am Ende ein schwacher Reiter ganz oben auf dem Treppchen landet?
Sönke Lauterbach: Über diese Frage kann man trefflich streiten. Letztlich entscheidet auch beim 100 Meter Lauf oder im Schwimmen nur das Ergebnis im Finale und nicht eine kumulierte Wertung aus Vorläufen und Finale. Dass wir dies nun auch im Springen hatten, war nicht die größte Schwäche des neuen Systems. Wichtiger ist, dass wir im Springen die Teamentscheidung wieder vor die Einzelwertung ziehen können.
Frage: Was muss im Rahmen der Qualifikation für Olympia geändert werden, um möglichst nur die an den Start zu lassen, die auch wirklich konkurrenzfähig sind und nicht bei Nischenturnieren Qualifikationspunkte gesammelt haben – auch im Interesse der Pferde?
Sönke Lauterbach: Sie haben Ihre Frage schon beantwortet. Die Auswahl der Turniere, auf denen Reiter/Pferd Kombinationen ihre sogenannten „minimum eligibility requirements“ erzielen können, muss sehr sorgfältig erfolgen. Es gab da in der Vergangenheit das ein oder andere schlechte Beispiel. Das schadet am Ende den betroffenen Reitern und Pferden, die teils überfordert sind. Und damit schadet es auch dem Sport insgesamt.
Frage: Wie stark ist der Druck, der vom IOC auf den Reitsport ausgeübt wird bis hin zur möglichen Konsequenz, Reiten aus dem Olympischen Programm zu nehmen?
Sönke Lauterbach: Jede Sportart, die im olympischen Programm steht, spürt diesen Druck. Mittlerweile gibt es immerhin klare Kriterien des IOC, an denen sich Sportarten messen lassen müssen. Dazu gehören vor allem auch Kontaktzahlen bei Fans und in den (sozialen) Medien. Reiten hat es an dieser Stelle natürlich schwerer als eine Kernsportart wie die Leichtathletik. Aber wir haben in den letzten Jahren als Pferdeleute unsere Hausaufgaben gemacht und unsere Stellung im olympischen Programm ein gutes Stück gefestigt, so wie ich das wahrnehme. Dazu gehört, dass wir an der ein oder anderen Stelle auch Kompromisse eingehen müssen. Zum Beispiel, dass es im Finale wieder bei null losgeht.
Frage: Wird sich die FN dafür einsetzen, dass zumindest wieder die Reihenfolge geändert wird, also erst die Team-Entscheidung, dann das Einzel im Programm steht?
Sönke Lauterbach: Ja.
Frage: Bleibt es außerhalb von Olympia trotzdem bei der bewährten Form des Ablaufs bei Nationenpreisen und Einzel-Championaten?
Sönke Lauterbach: Bislang ja. Denn das sind unsere eigenen Championate, mit denen das IOC nichts zu tun hat. Wir werden aber wachsam sein, dass nicht Fans der neuen olympischen Programms auf die Idee kommen, das auch bei WMs und EMs einzuführen.