Ein Jahr ist es her, dass ein Ausbruch des Equinen Herpesvirus EHV-1 die Pferdewelt in Europa erschüttert und dazu geführt hat, dass zahlreiche Pferdesportveranstaltungen abgesagt werden mussten. Pferde mit teils schweren neurologischen Verläufen der Krankheit standen in Tierkliniken, einige mussten sogar ihr Leben lassen. Mittlerweile hat der FN-Beirat Sport nach ausführlicher Diskussion eine Impfpflicht für Turnierpferde gegen das Herpesvirus beschlossen. Diese tritt zu Jahresbeginn 2023 in Kraft. Dr. Henrike Lagershausen, Leiterin der FN-Abteilung Veterinärmedizin und Tierschutz, spricht im Interview über die Hintergründe und darüber, warum es wichtig ist, bereits jetzt mit der Grundimmunisierung zu beginnen.
Es ist beschlossene Sache: Alle Pferde, die am Turniersport teilnehmen, müssen ab kommendem Jahr gegen Herpes geimpft sein. Warum ist das notwendig?
Dr. Henrike Lagershausen: Ganz knapp gesagt, aus Gründen der Infektionsprophylaxe. Herpesviren kommen mit unterschiedlichen Krankheitsbildern bei Pferden auf der ganzen Welt vor. Das tückische dabei: Ein einmal mit Herpesviren infiziertes Pferd bleibt lebenslang latent infiziert und ist damit Virusträger, auch wenn es selber nicht erkrankt oder die Erkrankung bereits überstanden hat. Ca. 80 bis 100 Prozent unserer Pferde tragen das Virus in sich. Unter ungünstigen Umständen, wie zum Beispiel Stress durch einen Stallwechsel, Veränderungen in der Herde oder andere Erkrankungen, kann es zu einer Reaktivierung des Virus im Pferdekörper kommen, die zu einer massiven Ausscheidung des Erregers führt und eine Infektionsquelle für andere Pferde darstellt. Die Impfpflicht trägt dazu bei, die Menge an zirkulierenden Herpesviren zu reduzieren und somit Infektionsketten zu unterbrechen und Erkrankungszahlen zu senken. Mit der Impfung schützen wir unsere Turnierpferde, die dadurch, dass sie auf Veranstaltungen unterwegs sind und dort mit Pferden aus fremden Beständen zusammenkommen, in besonderem Maße gefährdet sind. Mit der Entscheidung eine Impfpflicht einzuführen, folgt der FN-Beirat Sport im Übrigen den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet), die die Impfung gegen Herpes zu den sogenannten „Core-Komponenten” zählt, gegen die jedes Pferd zu jeder Zeit geschützt sein muss.
Wenn Herpesviren so häufig vorkommen und auch die StIKo Vet zu einer Impfung rät, wäre es dann nicht sinnvoll, eine generelle Impfpflicht zu erlassen, also auch für Pferde, die nicht im Turniersport aktiv sind?
Dr. Lagershausen: Sinnvoll wäre das sicherlich, allerdings kann die FN das nicht tun, da ihr dazu die Befugnisse fehlen. Die FN kann über die Leistungs-Prüfungsordnung (LPO) zwar Impfbestimmungen erlassen, diese greifen dann allerdings nur für die Gruppe der Turnierpferde. Andere Pferdegruppen werden nicht erreicht. Erfahrungsgemäß haben die Impfvorgaben für Turnierpferde aber auch eine Abstrahlwirkung in andere Bereiche hinein, also auf die Pferdezucht und den Freizeitpferdesektor. Aus tierärztlicher Sicht ist die Impfung des gesamten Pferdebestands für jeden Betrieb absolut sinnvoll.
Wie genau hilft die Impfung denn nun meinem Pferd?
Dr. Lagershausen: Hier müssen wir ehrlich kommunizieren und erklären: Die Impfung kann das einzelne Pferd nicht sicher vor einem Ausbruch der Krankheit schützen. Aber und das ist das große Ziel der Impfung: Betroffene Pferde scheiden deutlich weniger Viren aus und somit sinkt die Gefahr, andere Pferde mit dem Virus zu infizieren. Der Infektionsdruck wird gesenkt. Darüber hinaus kann die Impfung im Falle einer Erkrankung die Symptome wie beispielsweise Atemwegsbeschwerden abmildern und das Risiko für schwere, neurologische Verläufe senken. Das bedeutet aber auch, dass wir beim Thema Herpesvirus weniger auf das einzelne Pferd als auf den Gesamtbestand an Tieren schauen müssen.
Wenn wir das richtig verstanden haben, ist es also wichtig, dass möglichst viele oder sogar alle Pferde in einem Stall geimpft sind?
Dr. Lagershausen: Genau so ist es. Die Herpesimpfung greift vor allem dann, wenn alle Pferde eines Bestands geimpft sind. Hier ist daher auch die Solidarität der Pferdebesitzer untereinander gefragt. Die Herpesimpfpflicht für Turnierpferde stellt unter dem Strich den ersten wichtigen Schritt in Richtung möglichst vieler durchgeimpfter Bestände dar. Wobei auch klar sein muss, dass eine Impfung immer nur eine von verschiedenen bestandshygienischen Maßnahmen ist, um Infektionserkrankungen vorzubeugen.
Was sind das denn für Impfstoffe, mit denen gegen Herpes geimpft wird?
Dr. Lagershausen: In Deutschland gibt es derzeit drei zugelassene und verfügbare Herpes-Impfstoffe für Pferde. Dabei handelt es sich um einen Lebendimpfstoff, bei dem das Virus in abgeschwächter Form vorliegt, und zwei Inaktivatimpfstoffe, sprich Totimpfstoffe, die Viren in inaktivierter Form enthalten. Alle drei zugelassenen und verfügbaren Impfstoffe sind laut StIKo Vet sicher und sinnvoll einzusetzen. Alle drei haben gemeinsam, dass die Impfung regelmäßig aufgefrischt werden muss.
In den letzten Jahren gab es immer wieder Meldungen über Lieferengpässe bei den Impfstoffen für die Herpesimpfung. Wie sieht die Situation hier aktuell aus?
Dr. Lagershausen: Zwingende Voraussetzung für die Einführung der Impfpflicht ist die ausreichende Verfügbarkeit von Impfstoffen. Bei den Herpes-Impfstoffen war diese in der Vergangenheit nicht immer gegeben. Gespräche mit den Impfstoffherstellern haben ergeben, dass für die Versorgung mit Impfstoffen eine Vorlaufzeit erforderlich ist. Zudem ist es wichtig, dass jeder, der am Turniersport teilnehmen möchte, ausreichend Zeit hat, das Pferd gegen Herpes impfen zu lassen. Daher tritt die Impfpflicht auch erst mit Jahresbeginn 2023 in Kraft. Ab dann muss jedes Pferd, das an einer Turnierveranstaltung gemäß LPO teilnimmt, gegen EHV-1 geimpft sein. Ich kann daher nur allen Pferdebesitzern raten, sollten die Pferde noch nicht korrekt gegen Herpes geimpft sein, rechtzeitig und zwar nicht erst im Herbst, sondern am besten jetzt, mit der Grundimmunisierung zu beginnen.
Wie muss die Grundimmunisierung gegen EHV-1 erfolgen und wie häufig sind Wiederholungsimpfungen notwendig?
Dr. Lagershausen: Das vorgegebene Impfschema für die Grundimmunisierung richtet sich danach, ob ein Lebend- oder Inaktivatimpfstoff verabreicht wird. Eine Grundimmunisierung besteht jeweils aus drei Impfungen mit vorgegebenen Mindest- und Maximalabständen. Im Falle der Verwendung eines Lebendimpfstoffes müssen zwischen der ersten und zweiten Impfung der Grundimmunisierung mindestens drei bis maximal vier Monate liegen. Wird ein Inaktivatimpfstoff verwendet, sind zwischen der ersten und zweiten Impfung mindestens 28 bis maximal 42 Tage einzuhalten. Wichtig ist, dass für die ersten beiden Impfungen der Grundimmunisierung der gleiche Impfstoff verwendet wird. Nach den ersten beiden Impfungen, also ab der dritten Impfung der Grundimmunisierung, ist ein Wechsel zwischen Lebend- und Inaktivatimpfstoff möglich. Die Teilnahme an Turnieren ist bereits 14 Tage nach der zweiten Impfung der Grundimmunisierung möglich. Die dritte Impfung sowie alle weiteren Wiederholungsimpfungen sind in einem Abstand von maximal sechs Monaten plus 21 Tagen zu verabreichen.
Nun gibt es auch Pferdebesitzer, die eine Impfung scheuen, da ihr Pferd besonders stark mit Impfreaktionen zu kämpfen hat. Was entgegnen Sie diesen?
Dr. Lagershausen: Die in Deutschland zur Anwendung zugelassenen Impfstoffe sind sicher und wirksam. Die Hürden zur Zulassung eines Impfstoffes sind sehr hoch, viele Voruntersuchungen, die über mehrere Jahre angefertigt werden müssen, sind erforderlich. Der allergrößte Anteil der Impfungen verläuft ohne Impfnebenwirkungen, allenfalls sind nur milde Symptome wie Mattigkeit, leicht erhöhte Temperatur oder eine Schwellung der Einstichstelle zu verzeichnen. Diese verdeutlichen, dass sich der Organismus mit der Impfung auseinandersetzt und das ist ein Stück weit normal. In der Regel sind diese Symptome nach wenigen Tagen vergessen. Der Tierarzt prüft das Pferd am Tag der Impfung durch eine allgemeine Untersuchung auf seine Impffähigkeit. Ist das Pferd nicht fit, sollte es nicht geimpft werden. Wichtig ist es, Entwurmungen etc. vorab durchzuführen und dem Pferd nach der Impfung ausreichend Ruhe zu gönnen und Stress zu vermeiden. Hat ein Pferd im Vorfeld auf Impfungen heftiger reagiert, kann der Haustierarzt entscheiden, wie das Pferd im Einzelfall unterstützt werden kann.
Wie sieht es denn mit Ausnahmeregelungen von der Impfpflicht aus?
Dr. Lagershausen: Diese wird es nicht geben. Jedes Pferd, das ab 1.1.2023 an einer Turnierveranstaltung gemäß LPO teilnimmt, muss korrekt gegen EHV-1 und natürlich wie bisher auch gegen Influenza geimpft sein. (Das Interview führte Maike Hoheisel-Popp/fn-press)