Für Marie Ligges geht es derzeit nur in eine Richtung: Steil nach oben! Die 23-Jährige hat einen super Lauf. Die Enkelin des legendären Springreiters Fritz Ligges, Mannschafts-Olympia-Sieger von 1972 in München, startet in dieser Saison so richtig durch. Bereits beim Maimarkt Turnier in Mannheim machten Marie und ihr Top-Sportpartner Corcovado L aus der familieneigenen Zucht mit einem achten Platz über 1,60m auf sich aufmerksam, im CSI4* Großen Preis von Groß Viegeln über 1,60m wurden die beiden sogar Dritte. Diese super Leistung wurde kürzlich vom Bundestrainer Otto Becker mit einem Starplatzt beim CHIO Aachen belohnt. spring-reiter.de hat die sympathische, offene und bei allen beliebte Springreiterin zum Interview getroffen und mit ihr über Träume, Ziele, die Liebe auf den ersten Blick und einen Plan B gesprochen.
„In diesem Jahr ging plötzlich alles ganz schnell. Die letzten Wochen sind gefühlt so ein bisschen an mir vorbei gezogen, weil wir so viel erlebt haben. Ich habe mich mega gefreut, als ich erfuhr, dass ich in Aachen starten darf. Das ist der Traum von jedem Reiter Und dann denkt man gar nicht zu viel drüber nach, sondern macht das einfach“, sprudelt es aus Marie Ligges heraus.
Es war ein Gänsehautmoment für Marie Ligges, als sie vor zwei Wochen das erste Mal in die Aachener Soers einritt. Auch, weil der Stadion-Sprecher in diesem Moment an ihren berühmten Opa, den Reitmeister Fritz Ligges, erinnerte. Als bester Reiter verhalf Fritz Ligges auf Robin dem Deutschen Team 1972 in München zu Olympia-Mannschaftsgold. Nach dem Ende seiner aktiven Karriere 1986 fungierte Fritz Ligges erfolgreich als Bundestrainer und Equipechef der Springreiterjugend.
„Diese Erinnerung an meinen Opa vor meinem Ritt hat mich berührt. Es ist wirklich schön, dass er bis heute so eine große Bedeutung im Springsport hat. Ich hätte ihn wirklich sehr gerne kennengelernt“, bedauert Marie seinen frühen Tod im Jahr 1996 und ist sicher: „Wir hätten uns bestimmt sehr gut verstanden und viel Spaß miteinander gehabt.“ Und Fritz Ligges wäre sicher sehr stolz auf seine talentierte Enkelin, die bereits 2017 bei der Partner Pferd in Leipzig den Goldenen Sattel gewann. In diesem Jahr gehörte Marie in Aachen zu einer der Jüngsten auf der erlesenen Teilnehmerliste und auch, wenn es diesmal noch nicht für eine Teilnahme im Großen Preis reichte, wird man mit Marie Ligges und ihren Corcovado L künftig rechnen müssen.
„Ich bin jetzt natürlich total motiviert, das gibt einem dann auch mega viel Kraft und Ehrgeiz, da weiter zu arbeiten. Mein Pferd ist ja auch nicht zu erfahren, der ist erst zehn und vor Aachen erst zwei 1,60m Große Preise gegangen in Mannheim und in Groß Viegeln. Da war Corcovado L in beiden Springen null, das spricht einfach für ihn. Und wir werden sicher noch weiter viel lernen und zusammen wachsen“, fasst Marie Ligges die gemeinsame Zukunftsplanung zusammen. Dabei war es zwischen Marie und Corcovado alles andere als die Liebe auf den ersten Blick.
„Nein, Liebe war es am Anfang wirklich überhaupt nicht. Papa hingegen hat immer an ihn geglaubt. Ich habe angefangen, ihn sechsjährig zu reiten. Da hatte ich am Anfang immer so ein ganz komisches Gefühl auf dem, weil er auch so riesig galoppiert ist. Es fiel ihm auch total schwer, einen vernünftigen Sprung zu machen, und es war schwierig, eine Distanz zu finden. Corcovado ist immer on fire, wenn es ans Springen geht. Heute profitiere ich von dieser Art, von dem großen Galopp. Der ist echt verrückt, weil er immer 110 Prozent im Parcours für mich geben würde. Mittlerweile haben wir uns zu einem richtigen guten Team zusammengefummelt. Es war von Anfang an klar, dass er etwas Zeit braucht. Jetzt ist er so richtig angekommen und man merkt, der liebt Turnier“, freut sich Marie Ligges über die Entwicklung ihres Top-Sportpartners.
Heute gibt ihr der Westfalen-Wallach vor allem viel Sicherheit im Parcours. „Das Schlimmste, was passieren kann, ist eigentlich, dass wir einen Fehler haben. Corcovado gibt mir nie das Gefühl, er will nicht, will anhalten oder gar kehrt machen. Da habe ich schon das Gefühl, dass er echt auf meiner Seite ist und mit kämpft. Das gibt einem als Reiter unglaublich viel Sicherheit“, fasst Marie Ligges die Qualitäten des Braunen zusammen.
Qualitäten, die ihr Vater eben früh erkannte. Und wenn Marie Ligges auf jemanden hört, dann auf ihn: „Mein Vater ist wie mein bester Freund. Wir sind zusammen ein super Team. Es ist auch echt schön, ihn bei Turnieren wie Aachen dabei zu haben, das lässt er sich nicht nehmen. Ihm kann ich vertrauen, kann ich mal fragen, bevor ich in so eine beeindruckende Arena wie in Aachen einreite. Und er kann mich bestens beraten, weil er mich und mein Pferd in- und auswendig kennt“, fasst Marie Ligges die Liebeserklärung an ihren Vater zusammen. Der ist natürlich stolz auf seine Tochter. Zusammen sind sie ein Dream-Team, findet Marie: „Ich finde es super schön, dass wir alles in der Familie so zusammen machen. Und es bedeutet mir auch sehr viel, dass ich da so unterstützt werde von zu Hause.“
Zu Hause, das ist das von dem Opa Fritz Ligges gegründete Gestüt Ligges im Herzen des Münsterlandes in Herbern. Rund 120 Pferde sind auf dem Gestüt und der Hengststation Ligges zu Hause. Hier wohnt Marie mit ihren Eltern, dem 1,5 Jahre jüngeren Bruder Fritz – er ist früher mal geritten und fängt demnächst ein Studium an – und der zehnjährigen Schwester Clara. „Sie ist jetzt auch auf ihren ersten Turnieren gestartet, hat gerade ihre ersten Schleifen gewonnen, da bin ich als Schwester natürlich mega stolz“, erzählt Marie. Mit ihrem Vater kümmert sie sich um die Ausbildung der jungen Pferde. Irgendwann, so der Plan, wird sie das Gestüt übernehmen. Um darauf gut vorbereitet zu sein, absolviert sie gerade neben der Reiterei noch ein Business Administration Studium. Damit sie später auch weiß, wie man so ein Familienunternehmen erfolgreich führt. „Und damit man einen Plan hat, wenn es mal nicht mehr so läuft oder wenn man sich mal verletzten sollte und nicht mehr reiten kann“, sagt Marie Ligges. Ein ordentliches Pensum.
Ihr Ziel, im Großen Preis von Aachen zu starten, verliert sie trotzdem nicht aus den Augen. Auch deswegen steht ihr Superstar Corcovado L derzeit nicht zum Verkauf. „Ich würde super gerne einmal einen Nationenpreis reiten. Und irgendwann bei Olympia starten, aber dieses Ziel hat ja fast jeder Reiter. Ich muss abwarten, was die Zeit so bringt, und natürlich braucht man zur richtigen Zeit auch die passenden Pferde. Das ist alles nicht so einfach.“ Ein paar vielversprechende Youngster haben sie auf dem Gestüt Ligges dabei, auch eine Youngster Stute aus der gleichen Mutter wie Corcovado L. Die Zeichen stehen also gut, dass es für Marie auch künftig weiter nach oben geht.
Text und Interview: Corinna Philipps