Die Weltmeisterschaften in Dressur, Springen, Para-Equestrian und Voltigieren vom 6. bis 14. August im dänischen Herning sind einer der sportlichen Jahreshöhepunkte 2022. In Dressur und Springen sind sie außerdem eine wichtige Gelegenheit, schon jetzt die Qualifikation für die Olympischen Spiele zu sichern. Auch für die deutschen Para-Dressurreiterinnen geht es bereits um das Ticket für Paris 2024. Dr. Dennis Peiler, Geschäftsführer des Deutschen Olympiade Komitees für Reiterei (DOKR) und Chef de Mission in Herning, spricht im Interview über die Bedeutung der WM und die Chancen für die deutschen Teams.
Wie beurteilen Sie die Bedeutung der WM im Jahr nach Tokio?
Dennis Peiler: „Traditionell reisen wir mit einer gewissen Erwartungshaltung zu Championaten – so auch in diesem Jahr, wenn es für uns zur WM ins dänische Herning geht. Dieses Jahr ist allerdings ein besonderes. Wir haben nicht die Chance, bei Europameisterschaften, die normalerweise auf Olympische Spiele folgen, zu testen, neue Paare aufzubauen und zu schauen, wer sich anbietet, auf dem Weg in Richtung der nächsten Olympische Spiele. Es ist nicht der Zeitpunkt, um auszuprobieren, sondern um zu liefern. Das heißt, Ziel Nummer eins sind die Qualifikation, beziehungsweise die sogenannten Quotenplätze, für die Olympischen und Paralympischen Spiele zu lösen. Ziel Nummer zwei ist, in allen Disziplinen um die Medaillen mitzureiten, wenngleich die Favoritenrolle in der einen oder anderen Disziplin nicht bei uns liegt.“
Welche Ziele hat sich das deutsche Team in der Dressur gesetzt?
Dennis Peiler: „Wenn in der Vergangenheit ein deutsches Dressurteam an Europa-, Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen teilgenommen hat, hat man nicht nur erwartet, dass es um die Medaillen mitreitet, sondern am Ende auch mit der Goldmedaille heimkehrt. Dass ist uns in der Vergangenheit oft gelungen, zuletzt bei den Olympischen Spielen in Tokio, wo wir herausragende Leistungen gesehen haben. In diesem Jahr wird das etwas anders sein. Wir haben in Herning vier Pferde sowie zwei Reiter und eine Reiterin dabei, die erstmals an einer Weltmeisterschaft in der Dressur teilnehmen werden. Die Erwartungshaltung ist natürlich, dass wir gegen starke Nationen wie Dänemark, Großbritannien, USA und die Niederlande um die Medaillen mitreiten. Dennoch wird die Favoritenrolle in diesem Jahr eher bei Dänemark liegen und nicht bei uns.“
Die Wettbewerbe im Springen beginnen am 10. August mit dem Zeitspringen, am 12. August steht das Mannschafts- und am 14. August das Einzelfinale an. Welche Erwartungen gibt es hier?
Dennis Peiler: „Im Springen hoffen wir sehr, dass wir den positiven Schwung aus der bisherigen Nationenpreis-Saison mitnehmen können. Wir waren beispielsweise siegreich in Sopot und Aachen. Wir haben generell gute Nationenpreise gesehen, so dass wir in dieser Saison sehr viele Paare haben, die sich für eine Teilnahme in Herning empfohlen haben. So stand der DOKR-Springausschuss zusammen mit Cheftrainer Otto Becker vor der besonderen Herausforderung, die richtigen Paare zu identifizieren. Wir hätten hier gleich acht Paare hinschicken können, die es durchaus verdient gehabt hätten, die deutschen Farben in Herning zu vertreten. Am Ende haben wir uns auf eine Mischung aus Erfahrung und Potenzial verständigt.
Mit Christian Ahlmann und Marcus Ehning haben wir zwei ganz erfahrene Reiter im Team, ebenso mit Andre Thieme als aktueller Europameister und Chakaria, einem der besten Pferde der Welt. Jana Wargers und ihr Limbridge sind die jungen Wilden im Team, die tolle Leistungen gezeigt haben. Das sind herausragende Paare. Ebenso Janne Friederike Meyer-Zimmermann als Reservistin, die gezeigt hat, zu welch großen Leistungen sie in der Lage ist. Das ist schon wirklich gut. Allerdings stoßen wir auch auf eine Konkurrenz, die es in sich hat. Wir haben es mit dem Olympiasieger Schweden zu tun, dem Europameister Schweiz, dazu kommen Belgien, die Niederlande, Frankreich und die USA. An einem guten Tag kann jedes dieser Teams nach ganz vorne reiten oder an einem schlechten gar nicht in den Medaillen vertreten sein. Also, da ist ganz viel Potenzial und es wird sehr spannend, aber am Ende gehört eben auch das Quäntchen Glück dazu.“
In Herning finden parallel ja auch Para-Dressur und Voltigieren statt. Ganz kurz auch hier noch Ihre Einschätzung?
Dennis Peiler: „Im Voltigieren haben wir in allen Disziplinen reelle Medaillenchancen, wenngleich sich diese Disziplin in den letzten Jahr international enorm weiterentwickelt hat und die Spitze deutlich breiter geworden ist. Die Zeiten, in denen deutsche Voltigierer die Medaillen unter sich ausgemacht haben, sind vorbei. Unser vorrangiges Ziel in der Para-Dressur ist es, die Qualifikation für die Paralympics zu erreichen. Natürlich hoffen wir auch auf die eine oder andere Medaille. Die Chance ist auf jeden Fall da, aber wir wissen auch, dass wir es mit einer starken Konkurrenz zu tun haben. Es freut mich, dass wir in unserem Team neue, aufstrebende Paare sehen werden, mit viel Perspektive für die Zukunft.“ (fn-press)