Als einfühlsame und talentierte Reiterin mit einem Faible für die Ausbildung junger Pferde ist Jana Wargers schon lange bekannt. Gemeinsam mit ihrem Wallach Limbridge gelingt der 31-Jährigen im vergangenen Jahr der Durchbruch in den internationalen Spitzensport. Ein Gespräch mit der deutschen Springreiterin, die auf der Ashford Farm in Belgien ein sportliches Zuhause gefunden hat.
Jana Wargers, wir durften uns hier auf der Ashford Farm schon ein wenig umsehen. Toll ist es hier. Was macht einen Arbeitsplatz wie diesen so besonders?
Ich bin jetzt zwei Jahre hier in Belgien. Die Möglichkeiten, die sich mir hier bieten, sind einfach unglaublich gut. Ich bin sehr dankbar für das, was ich hier erleben darf. Das ganze Team steht hinter mir und Enda Carrol sorgt dafür, dass wir wirklich tolle Pferde zu reiten habe. Durch all‘ das wird der Sport für mich ja erst möglich. Und das Wichtigste: Wir haben jeden Tag jede Menge Spaß.
Ein ganz normaler Tag im Leben von Jana Wargers. Wie sieht der aus?
Meistens bin ich um 7.30 im Stall und reite dann ganz in Ruhe die ersten vier Pferde. Mir ist es sehr wichtig, auf jedes einzelne Pferd individuell einzugehen – auch wenn man viele Pferde zu betreuen hat. In der Mittagspause sind wir immer mit dem ganzen Team zusammen, essen gemeinsam, besprechen alles und lachen viel. Danach bin ich dann bis 17 Uhr wieder im Sattel.
Und danach? Wie verbringen Sie Ihren Feierabend?
Wenn es sich zeitlich einräumen lässt, fahre ich sehr gerne nach Deutschland zu meinem Freund und meiner Familie – die alle fehlen mir hier in Belgien schon sehr. Wenn das nicht möglich ist, entspanne ich bei einem guten Film auf dem Sofa oder treffe mich mit Freunden. Dann geht es auch einmal nicht um Pferde.
Woher kam die Liebe zu den Pferden? Sie kommen ja nicht aus einer Reiterfamilie …
Das ist richtig. Meine ältere Schwester hat mich irgendwann einmal mit in den Stall genommen. Und direkt nachdem ich das erste Mal Kontakt zu Pferden hatte, war für mich klar, dass diese Tiere für mich etwas ganz besonderes sind. Von da an wollte ich jede freie Minute mit ihnen verbringen.
Mit 15 waren Sie bereits in der schweren Klasse siegreich und haben nach der Schule eine Ausbildung zur Pferdewirtin absolviert. Gab es jemals einen Plan B?
Nein, den gab es nicht – auch wenn meine Mutter immer zu mir gesagt hat, dass ich zuerst etwas Vernünftiges lernen soll. Aber für mich war das nie eine Option und ich habe diese Entscheidung bis heute auch noch keinen einzigen Moment bereut. Die Zusammenarbeit mit diesen ganz besonderen Tieren fasziniert mich jeden Tag auf Neue.
Freunde haben Ihnen den Spitznamen „Flöhchen“ verpasst. Woher kommt das?
Ja, das ist etwas, was mich wohl mein ganzes Leben lang begleiten wird. Der Spitzname kommt noch aus meiner Zeit bei Kurt Holz, bei dem ich reiten gelernt und für den ich sehr lange geritten habe. Ich war als junges Mädchen einfach sehr klein und schmal. So ist das Wort „Reitfloh“ entstanden, daraus wurde dann zuerst „Floh“ und dann „Flöhchen“ – es gab also einige Spitznamen für mich. Aber mittlerweile höre ich doch auch ganz gut auf Jana (lacht).
Sie haben ein besonderes Händchen dafür, immer wieder junge Pferde in den Sport zu bringen. Was fasziniert Sie daran?
Ältere, erfahrene Pferde kennen ihr Geschäft. Da ist es meine primäre Aufgabe, ihre Kondition und Motivation zu erhalten. Die Ausbildung junger Pferde ist hingegen immer eine sehr spannende Reise. Es ist ein großartiges Gefühl miterleben zu dürfen, wie sie den nächsten Schritt machen, wieder etwas dazulernen und immer besser werden. Das ist auch etwas, was meine Arbeit für mich jeden Tag so faszinierend macht.
Ihr aktueller Erfolgspartner im Parcours ist Limbridge. Was macht ihn besonders?
Limbridge ist glaube eines der Pferde, die man nur einmal im Leben hat. Für mich ist er etwas ganz besonderes. Sein Charakter, sein Kämpferherz, sein Wille und seine Einstellung sind einfach genial. Ich habe jetzt seit eineinhalb Jahren die Ehre, ihn reiten zu dürfen. Anfangs haben wir etwas Zeit gebraucht, uns aneinander zu gewöhnen, aber inzwischen ist die Verbindung zwischen uns sehr besonders, wir kennen uns in- und auswendig. Limbridge ist mein absoluter Liebling.
Im Parcours reiten Sie ihn mit einer gebisslosen Zäumung. Das sieht man nicht so oft …
Ja, das stimmt. Und tatsächlich habe ich mich damit anfangs auch eher schwer getan. Aber Limbridge hat mir einfach gezeigt, dass er sich ohne Gebiss sehr viel wohler fühlt. Daher gab es für mich auch keinen Grund, das zu ändern. Und inzwischen weiß ich, wie ich das handhaben muss. Meine Aufgabe im Parcours ist es eigentlich nur, ihm den Weg zu zeigen. Und dann darf ich ihn dabei begleiten, wie er über die Sprünge fliegt. Das ist ein unfassbares Gefühl.
Gemeinsam mit Limbrigde kam der Aufstieg in die Weltspitze ganz rasant. Wie haben Sie das erlebt?
Ganz ehrlich hat mich das selbst überrascht. Ich bin ja schon ein paar Jahre in diesem Sport. Aber wenn man dann so ein Pferd wie Limbridge bekommt, kann alles auf einmal ganz schnell gehen. Mit einem Sportpartner wie ihm habe ich nun die Möglichkeit, die ganz großen Turniere erleben zu dürfen. Das fasziniert mich von Mal zu Mal immer wieder aufs Neue.
2022 waren Sie nicht nur als Neunte die beste Frau bei der WM in Herning, sondern auch beim CHIO Aachen Teil des siegreichen Teams im Mercedes-Benz Nationenpreis …
Ja, das waren ohne Frage die großartigsten Momente, die ich in meiner Karriere bislang erlebt habe. Wenn mir das vorher jemand gesagt hätte, hätte ich wahrscheinlich nur ungläubig den Kopf geschüttelt. Mit diesen Erfolgen sind für mich wirklich Träume wahr geworden.
Was geht einem durch den Kopf, wenn man in das Aachener Hauptstadion einreitet und weiß, dass gleich 40.000 Augenpaare auf einen gerichtet sind?
Die Atmosphäre dort ist einfach einmalig. Und dementsprechend groß ist auch die eigene Anspannung. Wenn die Menschen applaudieren, spürt man, das hier ist jetzt etwas ganz Besonderes. Und der große Jubel hat mir nochmal das Gefühl gegeben, ok, jetzt volle Konzentration. Denn in solchen Momenten möchte man einfach abliefern.
Wie es sich anfühlt, in Aachen zu gewinnen, haben Sie also schon erlebt. Ist der Sieg im Rolex Grand Prix ein Traum, den Sie sich irgendwann erfüllen möchten?
Ja, natürlich. Der Rolex Grand Prix in Aachen steht noch auf meiner To-do-Liste. Ob mir das jemals gelingen wird, steht natürlich in den Sternen. Aber es ist ohne Frage ein Ziel, das ich mir setzte. Wir werden also auch in diesem Jahr wieder angreifen.
Und darüber hinaus? Haben Sie einen sportlichen Traum?
Ja, die Olympischen Spiele 2024 in Paris. Das ist natürlich noch ein langer Weg und bis dahin kann noch viel passieren. Aber ich bin mir sicher: Mit einem Pferd wie Limbridge ist es denkbar und realistisch. (CHIO Aachen)