Rene Dittmer: „Ich investiere mehr Zeit und Geld in die Pflege und Gesundheit meiner Pferde, als in meine eigene!“  

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Rene Dittmer lebt seinen Traum. Nach lehrreichen Jahren im Stall von Meredith Michaels-Beerbaum und Markus Beerbaum hat der Springreiter vor zweieinhalb Jahren den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt. Seitdem kämpft sich der 30jährige mit viel Fleiß und gesundem Ehrgeiz im Spitzensport immer weiter nach oben. In diesem Jahr reitet er das erste Mal auf 5*-Niveau mit, bekam eine Einladung von Bundestrainer Otto Becker zum Nationenpreisturnier in Sopot und durfte sogar beim CHIO Aachen starten.  

spring-reiter.de hat mit Rene Dittmer über seine Anfänge im Springsport, freche Ponys, seinen Spagat zwischen Deutschland und den USA sowie über positives Marketing im Reitsport gesprochen. Und er hat uns verraten, was er bis heute zutiefst bereut. 

„Wenn mir vor zweieinhalb Jahren, als ich mich selbstständig machte, jemand gesagt hätte, du reitest in Aachen, dem hätte ich einen Vogel gezeigt“, lacht Rene Dittmer heute. Doch die Nominierung für den CHIO Aachen kam nicht von ungefähr. Nach Siegen u.a. in Neustadt (Dosse) und Balve in diesem Jahr sowie vorderen Platzierungen in Hamburg und Wiesbaden hatte er mit konstant guten Leistungen auf sich aufmerksam gemacht. „Mit dem Startplatz in Aachen in diesem Jahr ist ein riesiger Traum in Erfüllung gegangen. Für mich war das mehr wert als irgendein Sieg in einem anderen Springen“, schwärmt der Springreiter aus Stade bei Hamburg.  Den Sprung ins 5*-Lager hat er natürlich auch seinen derzeit besten Pferden, dem zwölfjährigen Selle Francais Wallach Burlington Riverland (v. Mylord Carthago) und der zehnjährigen Holsteiner Stute Corsica (v.  Connor) zu verdanken. „Das ist ein riesiges Glück, diese Pferde reiten zu dürfen“, weiß Dittmer. 

Er erinnert sich noch gut an seine Anfänge im Springsattel: „Mit sechs Jahren habe ich mein erstes Pony namens Hansa Star bekommen. Das war so ein kleiner Rapp-Hengst, mit ihm bin ich Springreiterwettbewerbe und E-Springen gegangen. Er hat mich aber auch unheimlich viel runtergeschmissen. Der war richtig frech. Dann hat mein Papa mir noch ein zweites Pony gekauft, aber das hat auch nicht wirklich funktioniert. Zwischenzeitlich dachten meine Eltern schon, der hört mit dem Reiten auf, weil ich so oft runtergefallen bin. Wir haben die Pony-Zeit dann relativ schnell beendet, weil ich auch schon so groß war und ich stieg auf ein Großpferd um.“ Sein erstes „richtig gutes“ Pferd Granny trug ihn später erfolgreich durch die Junioren- und Junge-Reiter-Zeit bis S***.

Pferde und Familie Dittmer – das gehörte immer irgendwie zusammen. Schon als Kleinkind verbrachte Rene seine Zeit auf Turnieren. „Wir hatten immer Pferde, haben die meist von Züchtern gekauft, auch mal welche, die schwieriger waren“, erinnert sich Rene Dittmer heute. Seine Eltern saßen im Springsattel, sein Vater ritt sogar erfolgreich bis S***. Der Springsport war für die Familie allerdings immer ‚nur‘ ein Hobby, Rene Dittmers Vater fährt bis heute LKW, seine Mutter ist Bankkauffrau. Die Pferde sollten eigentlich auch bei Rene nur ein Hobby bleiben. Wenn es nach den Eltern gegangen wäre…

„Meine Eltern waren der Meinung, Pferde als Beruf, das kann gut gehen, muss es aber nicht“, grinst ihr einziger Sohn. So fing Rene Dittmer nach dem Abitur erst einmal mit einem Studium für International Management in Hamburg an: „Ich habe das Studium auch fast bis zum Schluss fertiggemacht, aber dann wurde das mit dem Reiten immer mehr und das Studium blieb am Ende auf der Strecke.“  Ein Umstand, den er heute sehr bereut. „Zwar läuft es mit dem Reiten jetzt alles gut, aber den Studien-Abschluss zu haben, wäre trotzdem schön“, gibt er zu. Umsonst war die investierte Zeit in das abgebrochene Studium natürlich trotzdem nicht. „Wenn man von Steuern und Betriebswirtschaft einen Plan hat, dann hilft das schon – anders, als hätte man in seinem Leben noch nie eine Bilanz gesehen.“ 

Er hätte sich tatsächlich auch einen Job in der Wirtschaft vorstellen können – die Pferde wäre er nach Feierabend geritten. Doch es kam anders. Sein Talent fiel auch anderen auf. Rene Dittmer fing bei Meredith Michaels-Beerbaum und Markus Beerbaum im Stall als Bereiter an. Ein wegweisender und endscheidender Schritt.

„Dort zu reiten, hat mir am allermeisten gebracht und geholfen. Ich habe reiterlich von ihnen soviel dazu gelernt. Das hat auch den größten Schub gegeben“, weiß Dittmer heute. Bis dahin war er nur auf ländlichen Turnieren angetreten, „abgesehen von den Deutschen Meisterschaften“. „Durch Meredith und Markus bekam ich die Chance, auch auf internationalen Turnieren zu starten“, erzählt Rene Dittmer. Er lernte viel über das Pferde-Management – knüpfte für den Pferde-Handel wichtige internationale Kontakte. Im Stall der Beerbaums lernte er auch seine heutige Freundin, die aus Florida stammende Springreiterin Chloe Reid, kennen.

„Bevor ich in den Stall Beerbaum wechselte, ging es bei mir alles so ein wenig schnell zu. Ich ritt 15 Pferde am Tag, drei Pferde in einer Prüfung. Für die ländliche Reiterei reichte es. Bei Meredith und Markus habe ich dagegen gelernt, mich individuell auf die Pferde einzustellen und mitbekommen, was man für den großen Sport braucht“, erklärt Rene Dittmer. Nach drei lehrreichen Jahren war es an der Zeit für einen Neuanfang für Rene Dittmer. Er wagte den Schritt in die Selbstständigkeit. 

„Wir haben eine kleine Anlage zu Hause. Die haben wir Stück für Stück selber aufgebaut. Von der Halle bis zu den zehn Boxen haben wir alles selber gemauert. Demnächst, wenn der Bauantrag durch ist, kommen noch einmal zehn Boxen dazu. Dann ist eigentlich alles tipptopp“, erzählt Rene Dittmer nicht ohne Stolz. 

Anfänglich wollte er eigentlich ‚nur‘ junge Pferde ausbilden und ein wenig Handel betreiben. „Ich hatte gar nicht auf dem Plan, international mitzumischen“, sagt Rene Dittmer über die Anfänge seiner Selbstständigkeit. Ein Glücksgriff zahlte sich aus. In Amerika kaufte er den KWPN-Wallach Farrero (v. Boss). Mit ihm ging es zurück in die Erfolgsspur, Siege und internationale Erfolge sorgten für weitere Beritt-Pferde im eigenen Stall. Und wenn im Herbst die nächsten zehn Boxen fertig sind, kann er auch noch weitere Pferde in Beritt aufnehmen.   

Mehr als 20 Boxen sollen es auf der heimatlichen Anlage in Stade allerdings nicht werden: „Ich will das lieber klein und fein halten.“ Damit nichts aus dem Ruder läuft, er den Überblick behält, sich immer selber kümmern kann. Er will die Zügel in der Hand haben, selbst wenn es gerade mal nicht so erfolgreich läuft. „Mehr als zehn Pferde will ich selber nicht reiten. Dann bräuchte ich wieder einen Bereiter und es ist so schwer, einen guten Bereiter zu finden“, weiß Rene Dittmer. Zusätzliche Boxen braucht er auch für Freundin Chloe, wenn sie aus den USA mit ihren Pferden zu Besuch kommt. Und für seinen Vater, der auch immer drei, vier Pferde hat. 

Sein Ziel ist es, den Sport und Handel künftig auf „diesem Level weiter zu betreiben: Wenn wir keine eigene Anlage hätten, hätte ich mich auch nicht selbstständig gemacht. So habe ich das Gefühl, dass ich mir etwas Eigenes aufbaue.“ 

Ende des Sommers will er zu seiner Freundin Chloe in die USA und ein paar Turniere dort reiten. „Mal schauen, ob ich dann etwas länger dableibe. Aber erst mal nur mit zwei Pferden“, erzählt Rene Dittmer. Zwischendurch will er auch in Deutschland bei Turnieren an den Start gehen. Ein enormer Spagat. Noch ist unklar, wo Rene und Chloe ihren künftigen Lebensmittelpunkt haben werden. „Idealerweise sind wir im Sommer hier und im Winter in Florida“, so Rene Dittmer. Aber ob das funktioniert, weiß er noch nicht. 

Sorge als Selbständiger bereitet ihm das in Europa angekratzte Image des Pferdesports. Er möchte sich nicht vorstellen, dass der Sport irgendwann verboten wird: „Wir müssen sehen, dass wir mehr in positives Marketing im Reitsport investieren. Das passiert derzeit viel zu wenig. Da sind die einzelnen Föderationen und auch die FEI gefordert, den Sport positiver darzustellen. Es gibt viele schöne Bilder im Reitsport, aber positives Marketing wird, finde ich, viel zu wenig gemacht. In der Regel läuft es so, dass passiert irgendetwas passiert, es ein schlechtes Bild gibt und dann Stellung bezogen wird. Aber es geht niemand von sich aus in die Offensive. Meist passiert etwas und dann stehen alle mit dem Rücken an der Wand. In dieser Hinsicht könnte man sicher viel aktiver werden und viel mehr machen“, findet Rene Dittmer.

Er hat auch kein Problem, wenn ihm jemand zu Hause beim Training über die Schulter guckt. „Ich investiere mehr Zeit und Geld in die Pflege und Gesundheit meiner Pferde, als in meine eigene Gesundheit“, resümiert Rene Dittmer. Das kann ruhig jeder sehen. 

Rene Dittmer ist bodenständig. Er will sich nicht verbiegen, sagt, was er denkt: „Manchmal bin ich vielleicht zu direkt mit vielen Sachen, sage zu offen, was ich denke. Das kommt ja leider aus der Mode, es wird viel um Dinge drum herumgeredet, keiner kommt mal richtig auf den Punkt. Das kann ich überhaupt nicht ab.“ 

Aber am meisten kann er sich über sich selber ärgern: „Wenn zum Beispiel eine Runde im Parcours so gar nicht läuft, dann bin ich hinterher richtig wütend auf mich. Das ist schon eine Schwäche, dass ich mich da dann lange dran aufhänge. Ich bin niemand, der nach zehn Minuten sagt, ach was soll’s, es geht weiter. Ich habe da schon mal einen ganzen Tag lang schlechte Laune“, gibt der Springreiter zu. 

Rene Dittmer ist ehrgeizig. Er hat noch einen Traum: „Es wäre schön, wenn ich mit Corsica nächstes Jahr noch mal in Aachen starten könnte. Sie springt nicht so spektakulär, aber sie hat die Stangen unheimlich im Blick und bleibt mit wenig Aufwand sehr oft Null. Wenn wir dort noch einmal starten könnten, vielleicht sogar im Großen Preis – viel mehr geht für mich nicht. Alles andere, was oben drauf käme wäre ein schöner Bonus.“ 

Text und Interview: Corinna Philipps