„Es nützt nichts, 15 Pferde am Tag zu reiten, wenn man keinen Trainer hat, der einem hilft.“ Interview mit Martin Fuchs und Harry Charles

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Sie gehören zu den Besten, die der internationale Springsport derzeit zu bieten hat: Der Schweizer Martin Fuchs, Nummer fünf der aktuellen Weltrangliste, und der beste U-25 Reiter im FEI-Ranking, Harry Charles. Beim Rolex Round „Stable“ Interview in Genf durfte spring-reiter.de hinter die Kulissen gucken. Wir haben mit den beiden Stars über den Schlüssel zum Erfolg, über Doppel-Boxen, den Rolex Grand Slam und über ihre Weihnachtswünsche gesprochen.

Wir treffen Martin und Harry vor den Boxen von Martins Pferden Leone Jei, Conner Jei und Commissar Pezi. Die Pferde stehen in extra großen Boxen und dösen entspannt vor sich hin. „Wir buchen immer doppelte Boxen, weil wir mal festgestellt haben, dass sich Conner Jei sonst nicht hinlegt. Mit einer Doppel-Box legt er sich hin und ist ganz entspannt“, erzählt Martin Fuchs. Der Schweizer ist gerade noch beim Frühstück, in einer weihnachtlich geschmückten Box. Es gibt frisch gemachte Crepes mit Nutella.

Martin, wie groß ist der Druck, nach dem Sieg beim Major in Calgary, auch hier beim Rolex Grand Prix in Genf vor heimischen Publikum zu gewinnen?

MF: „Wenn ich am CHI Genf teilnehme, möchte ich mein Bestes geben, egal, was ich bei früheren Turnieren geleistet habe. Der CHI Genf ist das wichtigste Turnier des Jahres für mich. Es bedeutet mir sehr viel, vor dem heimischen Publikum anzutreten, viele meiner Freunde und Familie sind da – ich habe viel Unterstützung. Wenn man hier ist, denkt man nicht an vergangenen Prüfungen, sondern nur daran, dass man am Sonntag den Rolex Grand Prix gewinnen möchte.“

Harry, du bist mit 23 Jahren schon auf Platz 13 der Weltrangliste. Was würde der Gewinn eines Majors für Dich bedeuten?

HC: „Es würde sehr viel bedeuten. Es wäre unglaublich, wenn ich Ende des Jahres hier beim CHI Genf mein erstes Major gewinnen würde. Das wäre etwas ganz Besonderes. Ich bin damit aufgewachsen, das Turnier zu sehen, und komme nun schon seit vier Jahren hierher. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es dieses Jahr klappt, aber wir werden unser Bestes geben.“

Martin, Du bist der einzige Reiter, der den Rolex Grands Prix beim CHI Genf 2019 und 2021 in Folge gewonnen hat. Wie hat sich das für Dich angefühlt und was macht die Teilnahme an den Rolex Grand Slam Majors so besonders?

MF: „Ja, es war wirklich fantastisch und ein besonderer Sieg, da Leone Jei 2021 erst neun Jahre alt war. Es war seine erste Saison auf höchstem Niveau, und hier beim CHI Genf zu gewinnen, war eine große Sache. Es gab so viele Unterstützer – meine Freunde, mein Team und die Zuschauer – sie waren unglaublich.“

Wir haben bereits den großen Erfolg erwähnt, den ihr beide in relativ jungen Jahren hattet. Was würdet ihr sagen, ist das Geheimnis eures Erfolgs?

MF: „Es ist etwas, das Harry und ich gemeinsam haben – wir kommen beide aus Pferdefamilien. Das macht es viel einfacher, denn als ich in jungen Jahren reiten lernte, wurde mir der richtige Weg gezeigt. Als ich anfing, waren meine Grundlagen gut, und meine Eltern hatten immer ein Auge auf mich, um sicherzustellen, dass ich keine kleinen Fehler machte. Natürlich habe ich immer Fehler gemacht, aber sie wollten nicht, dass ich beim Reiten schlechte Gewohnheiten entwickle. Ich glaube, das ist der Schlüssel dazu, dass ich schon so früh in meiner Karriere so erfolgreich war. Natürlich kann man auch erfolgreich sein, wenn man aus einem anderen Umfeld kommt, aber es hilft wirklich, wenn man daran glaubt, dass das, was man tut, richtig ist und dass die Grundlagen stimmen. Ich habe das Gefühl, dass ich diese Grundlagen habe, und es ist toll, dass ich immer wieder darauf zurückgreifen kann und die Unterstützung meiner Familie und meines gesamten Teams habe.“

Wie stark ist Ihre Familie in Deine Karriere eingebunden?

MF: „Alle sind involviert; meine Mutter macht einen Großteil der Arbeit im Büro, und sie unterstützt mich sehr bei den Turnieren, und mein Vater ist mein Trainer. Wir reiten und springen immer zusammen. Ich glaube nicht, dass es fünf Mal im Jahr vorkommt, dass ich zu Hause springe, ohne dass mein Vater dabei ist. Er baut immer die Sprünge auf und sagt mir, was ich tun soll. Es ist nicht so, wie man sich ein richtiges Training vorstellt, denn er kommentiert nicht alles, wir kennen uns so gut und er ist da, um mir Ratschläge zu geben. Er ist wirklich gut im Aufbauen von Trainings-Parcours, hat immer neue Ideen für Gymnastik-Übungen und neue Linien. Das ist eines der großartigsten Dinge an meinem Vater, er versucht immer zu lernen und andere Leute zu beobachten. Er bringt Aspekte und Ideen aus anderen Disziplinen mit – von den Trabern und den Rennpferden – er bringt Ratschläge und neue Ideen ein, wie man die Pferde fit und gesund halten kann. Deshalb ist er einer der besten Pferdemenschen.“

Wie steht es mit Dir, Harry – welche Rolle hat Dein Vater bei Deinen Erfolgen gespielt? Was ist die wichtigste Lektion, die Du von ihm gelernt hast?

HC: „Ja, mein Vater hat einen enormen Anteil an meinem Erfolg. Martin hat es sehr gut ausgedrückt: Es ist ein großer Vorteil, aus einer Pferdefamilie zu kommen. Mein Vater war immer sehr streng in Bezug auf die Grundlagen. Er wollte, dass ich sie richtig mache. Mit guten Grundlagen kann man es weit bringen, aber ohne sie ist es sehr schwierig. Als ich jung war, wurde mir das jeden Tag eingebläut. Wenn die Dinge nicht so gut laufen, kann man immer darauf zurückgreifen.“

Mein Vater versucht, zu vielen Shows zu kommen. Ich habe zwei Schwestern, die jetzt auch im Sport aufsteigen, also verbringt er etwas mehr Zeit mit ihnen. Meine Mutter ist genauso wichtig, wird aber nicht so oft erwähnt, weil man sie nicht beim Aufwärmen oder bei den Shows sieht, aber sie hält zu Hause alles am Laufen. Ich habe großes Glück, denn meine Schwestern sind zwei großartige Reiterinnen, und wenn ich zu einem Turnier gehe, vertraue ich ihnen meine Pferde an. Sie sorgen dafür, dass die Pferde fit und glücklich sind, und das macht mein Leben viel einfacher, wenn ich montags nach Hause komme und donnerstags wieder los muss.“

In dem, was ihr beide beschrieben habt, steckt ein echter Familiensinn, ein ‚Wissenstransfer‘ über Generationen hinweg. Als Rolex-Testimonials seid ihr auch Teil einer außergewöhnlich talentierten Familie von Testimonials – Harry, wie viel lernst Du von anderen Testimonials?

HC: „Als ich vor vier Jahren zum ersten Mal zum CHI Genf kam, war ich gerade in die Rolex-Familie der Testimonials im Pferdesport aufgenommen worden. Wir gingen alle zusammen zum Mittagessen und ich war ein wenig eingeschüchtert, da ich nicht wirklich dachte, dass ich da hin gehörte. Natürlich war ich sehr dankbar, dass ich ausgewählt wurde. Damals hatte ich noch nicht viel erreicht, aber ich werde für immer dankbar sein für das Vertrauen und das, was sie in mir sahen. Ich bin sehr stolz darauf, vier Jahre später wieder dabei zu sein und hoffentlich beweisen zu können, dass es die richtige Entscheidung war.“

Was ist mit dir, Martin?

MF: „Ich bin sehr stolz darauf, Teil der Rolex-Familie zu sein, und es ist cool, dass wir uns bei unseren Mittagessen und Treffen gegenseitig unterstützen. Ich hoffe immer, dass die Rolex Testimonials auf den Turnieren gut abschneiden, denn ich weiß, wie viel es Rolex bedeutet und wie sehr sie uns unterstützen. Wir versuchen, so viel wie möglich zurückzugeben. Deshalb kommen wir zu diesen Turnieren immer mit unseren besten Pferden und versuchen, unser Jahr um diese Turniere herum zu planen. Bei den Rolex-Turnieren will man wirklich in Bestform sein.“

Harry, kannst Du uns sagen, wen du heute im Rolex Grand Prix reiten wirst?

HC: Im Rolex Grand Prix werde ich Aralyn Blue reiten. Es wird der erste Grand Prix sein, den sie in diesem Jahr springt, und ihr erstes Major. Die letzten Male, als ich hier war, habe ich mir das Stechen angeschaut und es war sehr schnell. Ich weiß nicht, ob ich so schnell sein kann. Aralyn Blue hat das Zeug dazu, sie war gegen Ende des Jahres sehr konstant und wir haben einige gute Ergebnisse erzielt. Wir werden sehen, wie es läuft; Daumen drücken.“

Martin, Leone Jei hat beim CHI Genf eine erstaunliche Bilanz vorzuweisen: Er gewann 2021 und wurde letztes Jahr knapp Zweiter. Können wir damit rechnen, dich morgen wieder auf ihm zu sehen?

MF: „Ja, das eine leichte Entscheidung. Ich habe dieses Turnier seit Spruce Meadows geplant, als er den Grand Prix gewann. Er liebt es wirklich, über diese riesigen Hindernisse zu springen und vor diesem Publikum zu stehen und die Atmosphäre zu spüren. Ich vertraue ihm voll und ganz. Ich hoffe, dass wir wieder im Stechen antreten werden, denn das ist der spannendste Teil.

Das Ziel ist es immer, einen Rolex Grand Prix zu gewinnen. Letztes Jahr waren wir nah dran, und in den ersten paar Minuten war ich traurig, dass ich nicht gewonnen habe, aber nach ein paar Minuten war ich wieder glücklich. Bei meinem Heimturnier den zweiten Platz zu erreichen, war fantastisch, ein großartiges Ergebnis. In der Vergangenheit bin ich mit den Ergebnissen, die wir hier erzielt haben, verwöhnt worden. Ich weiß, dass der Tag kommen wird, an dem wir einen Abwurf in der ersten Runde haben werden – vielleicht ist es Sonntag oder in einem anderen Jahr. Sollte dies der Fall sein, werde ich zurückkommen und es erneut versuchen, aber ich habe ein sehr gutes Gefühl für Sonntag.“

Welchen Ratschlag würdet ihr jüngeren Reitern geben, die wie ihr die Spitzenklasse erreichen wollen?

MF: „Man muss sehr hart arbeiten, egal, woher man kommt. Man muss hart arbeiten und die Art und Weise, wie man das tut, klug wählen. Es nützt nichts, wenn man 15 Pferde am Tag reitet, wenn man keinen Trainer oder Lehrer hat, der einem hilft. Mein Rat wäre, sich mit den richtigen Leuten zu umgeben. Es hilft nicht, nur acht Stunden am Tag zu reiten, sondern man muss sich mit den besten Leuten umgeben, die hart arbeiten und engagiert sind und einem den richtigen Weg weisen.“

HC: „Martin hat dies perfekt beantwortet. Wie wir bereits gesagt haben, ist es so wichtig, sich auf die Grundlagen zu konzentrieren. Man sollte sich mit den besten Leuten umgeben, die man haben kann, mit guten Leuten; es müssen nicht viele sein, aber Menschen, denen man vertrauen kann. Und Du solltest herausfinden, wie deine Pferde ticken, was sie mögen und was nicht.“

Harry, Du hast ein wirklich gutes Jahr hinter Dir, was sind Deine Pläne für 2024?

HC: „Ja, ich habe ein gutes Jahr hinter mir. Ich habe tolle Pferde. Ich werden versuchen, den Schwung ins nächste Jahr mitzunehmen. 2024 ist mit Olympia in Paris ein sehr wichtiges Jahr für uns und das erklärte Ziel ist, dort zu starten.“

Was wünscht ihr euch zu Weihnachten?

MF: „Ich wünsche mir viel Schnee und ich möchte Skifahren. Ich werde mir eine Auszeit von den Pferden gönnen und eine gute Zeit mit der Familie verbringen.“

HC: „Ich würde mich sehr über eine Kaffeemaschine freuen. Ich habe dieses Jahr angefangen, Kaffee zu trinken, vorher mochte ich ihn nicht, aber jetzt liebe ich ihn!“