Es war eine Demonstration, die hoffentlich auch für das Team-Finale um die olympischen Medaillen morgen beflügelt: Als Einzige der 20 gestarteten Mannschaften beendete Team Deutschland die Qualifikation im Schlosspark von Versailles mit komplett weißer Weste. Dreimal stand die Null – und damit hat Otto Beckers Trio morgen den Vorteil, als Letzte in die Entscheidung zu starten.
Der deutsche Chef d’Equipe hatte wieder ein glückliches Händchen bei der Auslosung der Startplätze gehabt. Man konnte sich ansehen, wie die ersten Zehn durch den technisch hoch anspruchsvollen Parcours kamen und sich dadurch optimal vorbereiten. Denn Startreiter Christian Kukuk musste erst als Elfter angaloppieren. Mit Checker (v. Comme il faut) steuerte er wie an der Schnur gezogen durch den Stangenwald und übers Wasser. Nach 75,67 Sekunden kamen die Beiden fehlerfrei ins Ziel, deutlich innerhalb der erlaubten Zeit von 79 Sekunden.
Christian Kukuk freute sich entsprechend: „Ehrlich gesagt, bin ich super happy. Alles ist eigentlich nach Plan gelaufen, so wie ich es mir vorgenommen hatte. Die erste Runde ist ja immer eine der aufregendsten und nicht gerade einfachsten, aber ich glaube, das haben wir super hingekriegt. Das das gibt meinen Teamkollegen hoffentlich nochmal ein bisschen Sicherheit, dass schon mal die Null da in der ersten Runde steht. Und ich glaube, dass wir fokussiert bleiben. Aber auch hochmotiviert bleiben dürfen.“
Zum Parcours sagte er: „Ich muss sagen, beim Abgehen habe ich gedacht, wow, das ist für den ersten Tag schon wirklich sportlich. Von der Höhe her so, dass man sagt: Gut, hoch genug. Ich finde es sehr technisch. Das sind ein paar Linien, auf denen es Schlag auf Schlag kommt und wo man schon wirklich am Sprung ganz fokussiert auf den nächsten sein muss und auf die Linie. Ob man innen bleibt oder ob man außen bleibt auf der Linie, also zum Beispiel am Wassergraben oder die Linie auf die Mauer. Da sind viele Variablen da, das macht es immer nicht einfacher, wenn man zu viel ins Überlegen kommt, aber ich hatte einen Plan und alles ist so gekommen, wie ich es mir vorgenommen hatte, und deswegen bin ich happy.“
Als Zweiten schickte Otto Becker den amtierenden Vize-Europameister aus Mailand, Philipp Weishaupt, ins Rennen. Mit seinem Erfolgspartner Zineday (v. Zinedine) wurde es eine Runde wie aus dem Bilderbuch, souverän und fast lässig. 66,44 Sekunden brauchte das Paar, bis es fehlerfrei über die Ziellinie galoppierte.
Philipp Weishaupt war anschließend voll des Lobes für seinen überragend springenden Sportparter: „Wenn Zineday so in Schuss ist, ist das Reiten nicht so schwierig. Er fühlt sich unglaublich an. Ich habe echt das Gefühl, er merkt, dass das hier etwas Besonderes ist. Der wächst so über sich hinaus, er hat nochmal ein PS mehr hier, als ob er die Atmosphäre auch merkt. Es hat richtig Spaß gemacht. Da war nicht ein Sprung dabei, wo man denkt, oh Gott, oh Gott. Und dann macht es einfach Spaß.“
Auch Weishaupt fand den Parcours zum Auftakt anspruchsvoll: „Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer wird heute. Ich habe eher gedacht, es wird eher ein bisschen lockerer. Es gibt eben kein Streichergebnis. Ohne Streichergebnis ist viel offener, wenn jedes Ergebnis zählt.“
Als Schlussreiter nahm Richard Vogel mit seinem United Touch S (v. Untouched) die Sache in Angriff. Auf dem großen Platz war der außergewöhnlich große Galopp seines Partners vor allem von Vorteil – wie in der Distanz vom Wassergraben zum folgenden Oxer: Wo die Konkurrenz aufs Gaspedal drücken musste, um passend anzukommen, konnte Richard Vogel seinen Partner einfach im Fluss weitergaloppieren lassen. 77,63 Sekunden zeigte die Uhr im Ziel, als sie fehlerfrei ankamen – nicht ohne am Schlussoxer einmal kurz anzuklopfen.
Ein strahlender Richard Vogel fasste es so zusammen: „Natürlich ist es was ganz Besonderes, man arbeitet schon anders daraufhin. Ich glaube, es gibt kein anderes Turnier in unserem Sport, auf das man so fokussiert schon seit Langem ist, seit vielen Monaten darauf hinarbeitet und so als Höhepunkt im Visier hat. Das ist für uns gut. Wir müssen fast jede Woche unter Druck performen, wir sind das geübt. Hier ist tatsächlich nochmal ein bisschen ein anderer Pressure dahinter, aber das hält den Fokus hoch und ich glaube, alle drei Reiter haben gezeigt, dass wir nicht nervös oder aufgeregt reiten, sondern sehr fokussiert sind, ja nahezu eins sind mit dem Pferd. Die deutschen Runden waren super harmonisch, es gab nirgends einen Wackler. Das stimmt uns optimistisch und lässt hoffen auf morgen.“
Team-Chef Otto Becker war mit der Leistung seiner Mannschaft mehr als zufrieden: „Ja, sehr gut, so wie wir es uns natürlich erhofft oder erträumt hatten, mit drei Null-Fehler-Runden und auch mit der Art und Weise. Alle drei haben den Eindruck, den wir in den letzten Wochen hatten, voll bestätigt, was ja nicht selbstverständlich ist. Sie haben das heute nochmal auf den Platz gebracht. Wir sind super happy, dass wir unser Ziel erreicht haben, morgen dabei zu sein. Aber wissen auch, dass wir noch nicht gewonnen haben. Wir wissen auch, wie schwierig das wird. Trotzdem denke ich, wir sind gut gerüstet und erstmal super happy, dass der Tag so zu Ende ging.“
Ebenfalls im Finale (Freitag ab 14 Uhr) dabei sind noch neun weitere Teams: Die USA mit Laura Kraut auf Baloutinue, McLain Ward auf Ilex und Karl Cook auf Caracole de la Roque, der kurz vor dem Start Kent Farringon auf Greya ersetzte – mit insgesamt sechs Punkten; Großbritannien mit Ben Maher auf Dallas Vegas Batilly, Harry Charles auf Romeo und Scott Brash auf Hello Jefferson – mit insgesamt acht Punkten; Belgien mit Gilles Thomas auf Ermitage Kalone, Wilm Vermeir auf IQ van het Steentje und Jerome Guerry auf Quel Homme de Hus – mit insgesamt acht Punkten; die Niederlande mit Maikel van der Vleuten auf Beauville Z, Kim Emmen auf Imagine, die kurz vor dem Start für Willem Greve auf Grandorado eingewechselt wurde, und Harrie Smolders auf Uricas v/d Kattevennen – mit insgesamt acht Punkten; Irland mit Shane Sweetnam auf James Kann Cruz, Daniel Coyle auf Legacy und Cian O’Connor auf Maurice – mit insgesamt neun Punkten; Frankreich mit Simon Delestre auf I Amelusina, Olivier Perreau auf Dorai D’Aiguilly und Julien Epaillard auf Dubai du Cedre – mit insgesamt 12 Punkten; Schweden mit Henrik von Eckermann auf King Edward, Rolf-Göran Bengtsson auf Zuccero und Peder Fredricsson, der nach einem Vorbeilaufen mit Catch Me not S an der nur 2,50m breiten Mauer für die 17 Punkte des Teams verantwortlich war; Israel mit Ashlee Bond auf Donatello, Robin Muhr auf Galaxy HZM und Daniel Bluhman auf Ladriano Z – mit insgesamt 20 Fehlern; Mexiko mit Carlos Hank Guerreiro auf Porthos Maestro GH Z, Frederico Fernandez auf Romeo und Eugenio Garza Perez auf Contago – mit ebenfalls 20 Punkten insgesamt.
Die Punkte sind allerdings nur wichtig, um die Startreihenfolge für das Finale zu bestimmen. Denn dann geht es für alle wieder bei Null los.
Überraschend ausgeschieden sind zwei Top-Favoriten für die Team-Medaillen: Steve Guerdat, Pius Schwizer und Martin Fuchs schafften alle keine Null, sondern schieden mit insgesamt 24 Punkten genauso aus wie Brasilien: Startreiter Pedro Veniss war zwar fehlerfrei mit Nimrod de Muze ins Ziel gekommen, aber bei der Nachkontrolle wurde „etwas Blut an der Flanke“ (so die FEI-Mitteilung) des Pferdes entdeckt. Damit schied das ganze Team aus – und Schlussreiter Rodrigo Pessoa verzichtete folgerichtig auf einen Start mit Major Tom.
Das komplette Ergebnis hier