FN-Präsident Martin Richenhagen: „Man kann kein Rennen gewinnen, wenn man in den Rückspiegel guckt!“

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Eigentlich ging es um eine 100-Tage-Bilanz des neu gewählten Präsidenten der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), Prof. Martin Richenhagen, beim 10. Liebenberger Pferdeforum. Aber dann wurde es im Historischen Rinderstall des alten Schlosses, das von der DKB-Stiftung restauriert wurde und instand gehalten wird, doch sehr grundsätzlich.

„Ich möchte Sie abholen in eine etwas positivere Zukunft“, waren die ersten Worte von Martin Richenhagen. „Die Vision der FN ist: aus Liebe zum Pferde – im Dienste der Menschen.“

Da stand er nun in dem 145 Jahre alten Raum, sehr aufrecht, dunkler Anzug, frei und ohne Manuskript sprechend und vor allem ohne Angst vor zugespitzten Formulierungen.

„Die Lage war etwas problematisch, weil die Deutsche Reiterliche Vereinigung einige Jahre unerwartete Verluste erwirtschaftet hatte, und zwar so gründlich, dass 7 Millionen Euro Rückstellungen auf einmal weg waren. Und als die weg waren, hat das Präsidium auch gemerkt, dass da etwas falsch ist. Und dann ist man nervös geworden und es ist zu einer Kontroverse gekommen, in deren Folge dann einige der ehrenamtlichen und dann auch hauptamtlichen Mitgliedern zurückgetreten sind.

Ich glaube, das ist ein gesunder Prozess. Ich glaube, dass die Frage, wer ist verantwortlich, schwer rauszufinden ist. Das ist auch nicht mein Job. Ich zitiere gerne Michael Schumacher, man kann kein Rennen gewinnen, wenn man in den Rückspiegel guckt. Mein Job ist nicht, in den Rückspiegel zu gucken und zu sehen, was da alles falsch gelaufen ist. Es ist ja für viele ein Hobby geworden, auf der FN herumzuhauen und damit machen wir uns ja selbst das Leben schwer. Wir müssen ein bisschen mehr Optimismus verbreiten, und ich möchte Sie einladen, mir zu glauben, dass auch bei der FN sich Dinge ändern und zwar ganz schnell. Wir wollen dienstleistungsorientiert sein.“

Aber mit eine Organisation umzusteuern ist etwa so schwer wie das Umsteuern bei einem Tanker:

„Es gibt beispielsweise bei der FN Homeoffice. Und es gibt Leute, die sind 100 Prozent im Homeoffice. Da fragt man sich, wie ist das möglich? Was machen die eigentlich? Das ändern wir. Die Zukunft ist: Wir sind immer für Sie da. Es gibt keine Bürozeiten mehr.“

Martin Richenhagen erinnert sich an seinen Dienstantritt in Warendorf: „Da stand vorne am Aufzug ein Schild, Öffnungszeiten von bis. Das habe ich erst einmal weggeräumt. Sie können jetzt zur FN kommen, und da wird immer jemand sein, der sich um sie kümmert.

Die Änderungsbereitschaft bei der FN ist nicht so besonders hoch, das gibt es viele „Ja – Aberer“. Jeder versucht dann, einen misszuverstehen. Also wurde ich gefragt, was heißt das: Sieben Tage die Woche, 24 Stunden geöffnet? So übertrieben machen wir es natürlich nicht, das kann keiner bezahlen. Aber wir wollen für Sie da sein, wenn Sie uns brauchen.

Neue Strukturen der FN

Der neue Präsident verändert erst einmal Strukturen: „Wir werden die Organisation verkleinern: Es wird in Zukunft zwei Chefs geben bei der FN, einen Vorstandvorsitzenden und eine kaufmännische Vorständin. Zwei, nicht vier. Darunter wird es sechs Ressortleiter geben. Sechs, nicht zwölf. Das Ganze führt natürlich zu großen Synergien.

Wir wollen die FN und das DOKR zusammenschließen. Dann brauchen wir nicht zwei Buchungskreisläufe, dann brauchen wir nicht zweimal den Wirtschaftsprüfer im Haus, der die Abschlüsse prüft. Da fallen dann auch ein paar Ehrenämter weg. Dazu mag es dann auch Diskussionen geben. Aber wir wollen, dass der ganze Apparat effizienter wird.“

Und was sagen die Mitarbeiter? „Die Bereitschaft der Mitarbeiter ist hoch. Die Mitarbeiter sind begeistert, dass in Warendorf jetzt ein frisches Lüftchen weht. Wir drehen zur Zeit jeden Stein um.“

Kein Geld für dicke Firmenwagen und Boni

„Wir haben im Jahr 2023 etwa eine Million Euro Verlust erwirtschaftet. Noch einmal. Und dann haben wir gesagt, das muss sich ändern. Im vergangenen Jahr haben wir schon mal einen kleinen Gewinn von 130.000 Euro gemacht. Das ist ein Swing. Das Ziel ist, wir möchten jedes Jahr 500.000 Euro Gewinn erwirtschaften. Mehr brauchen wir nicht, denn wir sind ja keine Sparkasse. Wir wollen ja nicht das Geld für uns behalten und investieren in dicke Firmenwagen und Boni und Altersversorgung,  sondern wir möchten, dass das Geld den Reitern, den Reitvereinen, den Züchtern zukommt – durch Schulung, durch neue Ideen für interessante Veranstaltungen  – das sind Dinge, über die wir auch in den Vereinen nachdenken müssen – und dann möchten wir uns wieder eine Reserve hinlegen von etwa drei Millionen Euro. Dafür braucht man ein paar Jahre. Aber das ist wichtig, weil nicht auszuschließen ist, dass wir wieder einmal in eine Situation geraten könnten wie Corona.“

Und dann kommt er noch zu einem ganz besonderen Punkt: „Wir werden das Bundeschampionat alleine veranstalten. Dadurch haben wir keinen Agenten mehr, der bei jedem Sponsor zehn bis zwanzig Prozent einstreicht für sich. Sondern damit können wir das Ergebnis verbessern. Wir sind ja keine Turnier-Organisation, das geht also nur, wenn wir alle mit anpacken und mithelfen.“

Wenn Martin Richenhagen analysiert, dann gerade und direkt: Das Image der FN ist angeknackst. Hausdurchsuchungen sind ja etwas, was keiner so gerne hat. Ich weiß ja nicht, bei wem zu Hause das so üblich ist, bei mir war das eher nicht üblich Das sind schlechte Nachrichten, und die kann man auch schlecht verkaufen. Ich kann Ihnen versichern, so etwas wird bei der FN nie mehr passieren. Wir haben das Berichtswesen geändert. Wir haben Monatsberichte eingeführt. Wir wissen jetzt jeden Monat, wie der Monat gelaufen ist, was wir an Liquidität übrighaben. So, wie das in jedem ordentlichen Unternehmen üblich ist.“

„Unsere Reiterei ist heute feiner als jemals zuvor“

Großen Beifall gab es in der Runde, als Martin Richenhagen an Olympia in Paris erinnerte:

„Bei den Olympischen Spielen waren ja nicht nur die deutschen Pferde erfolgreich, sondern vor allem auch deutsche Reiter. Und worauf wir besonders stolz sind, ist die Art und Weise, wie unsere Reiter da geritten sind. Sowohl im Springen als auch im Busch und in der Dressur.

Aber es gibt ja eben auch manchmal eine Kehrseite: „Wir regen uns über unschöne Bilder auf, aber Gott sei Dank sind das Ausnahmen. Und Gott sei Dank waren die schlimmen Fälle alle nicht in Deutschland. Das hängt damit zusammen, dass unsere Bundestrainer bereits vor Jahren angefangen haben, die Richtung zu ändern. Unsere Reiterei ist heute feiner als jemals zuvor. Und unsere Pferde gehen feiner als jemals zuvor.“

Darauf soll sich nicht ausgeruht werden, sondern in die Ausbildung weiter investiert werden: „Uns geht es bei unserer Ausbildung darum, dass wir einen Schwerpunkt legen auf diese feine Reiterei. Deshalb machen wir auch ein paar Veranstaltungen in Warendorf. Das Erste in diesem Jahr ist, dass ich alle Kaderreiter einlade, ein paar Top-Richter, die Bundestrainer und dann setzen wir uns zusammen und reden darüber, wie wir uns vorstellen, reiten zu wollen. Das Zweites ist eine größere Veranstaltung, wo wir uns mit einem großen Kreis von Leuten darüber unterhalten wollen, wie auf den Vorbereitungsplätzen geritten werden soll.“

Es waren in beiden Fällen erst einmal die Dressur-Reiter angesprochen. „Und was passierte? Dann meldeten sich die Springreiter und fragten, warum unterhältst du dich immer nur über Dressur? Weil wir da mehr sichtbare Probleme haben als im Springsport. Aber wir werden auch mit den Springreitern entsprechende Forum-Veranstaltungen machen. Wir werden in Warendorf wieder etwas mehr Leben in die Bude bringen.“

Meinungshoheit und Social licensing

Vor allem durch die Sozialen Medien hat sich viel in der Wahrnehmung der Reiterei verändert. Wir haben die Meinungshoheit im Reitsport verloren. Heute reden 500 Leute oder noch mehr im Internet und nur ein ganz kleiner Teil davon ist wirklich qualifiziert. Ich halte das nicht für schlimm. Aber was ich nicht mag, ist dieser Begriff des Social licensing, weil das unterstellt, dass wir die Genehmigung der Gesellschaft brauchen, um reiten zu dürfen. Das würde ich gerne umdrehen: Pferde sind ein ganz wichtiges Kulturgut. Ohne die Reiter, die mit viel Engagement, mit viel zeitlichem Einsatz und viel Geld sich um diese Pferde kümmern, gäbe es in Deutschland keine Pferde mehr. Die Pferde sind doch etwas, was einem das Herz erwärmt. Pferde haben im Vergleich zu uns einen großen Vorteil: Pferde begegnen uns völlig vorurteilsfrei. Pferden ist es völlig egal, ob Sie viel Geld haben oder wenig. Ob Sie Top-Pferde züchten oder ganz normale Durchschnittspferde. Pferde kommen auf Sie zu und sind immer positiv eingestellt. Deshalb sind wir alle dazu angehalten, so mit unseren Tieren umzugehen, dass sie uns verstehen und nicht nur wir sie lieben, sondern sie uns auch lieben und respektieren.“

Aber es ist schwer, sich mit der Kritik sachlich auseinanderzusetzen, allein schon, die Kritiker überhaupt nur zu kontaktieren. „Mit den Influencern und Kritikern in den Sozialen Medien sich vernünftig zu unterhalten, ist schwer. Die Meisten machen das ja auch anonym. Alle, die sich äußern jahrelang nachdem etwas passiert ist, den kann es ja gar nicht um das Pferd gehen. Denn dann hätten sie sofort reagiert.“

Der präsidiale Auftritt, direkt und ohne Attitüde, ließ im Publikum die Hoffnung wachsen, dass es was werden könnte mit der von ihm prognostizierten besseren Zukunft.