„Wirf Dein Herz über das Hindernis und springe ihm nach!“

Das alte Sprichwort bringt es auf den Punkt: Wenn Beine zu Flügeln werden, ist Courage von Reiter und Pferd gefordert. Denn nur wer ein Hindernis entschlossen anreitet und ohne wenn und aber auf die andere Seite will, wird diese Sicherheit auch auf sein Pferd ausstrahlen. Pferde sind sensibel, die Gefühle des Reiters teilen sich dem Pferd durch seine Einwirkungen, durch ihren Nachdruck ihre Sicherheit oder Unsicherheit mit. Das Pferd fühlt ganz genau, ob sein Reiter zum Sprung entschlossen ist oder unentschlossen und ängstlich oder zögerlich gegen ein Hindernis reitet. Ist letzteres der Fall, wird auch das Pferd verunsichert und wird schließlich stehen bleiben oder seitlich ausbrechen. Grundvoraussetzung ist gegenseitiges Vertrauen, auch beim Springreiten.

Ohne Dressurgrundlagen geht es nicht

Bevor der Reiter mit dem Springen beginnt, sollte er schon einigermaßen sattelfest sein. Eine gute Dressurausbildung ist auch beim Springen eine wichtige Grundlage. Denn der angehende Springreiter muss sein Pferd in jeder Gangart sicher an den Hilfen haben und ausbalanciert sitzen. Er sollte ein Gefühl für einen gleichmäßigen Galopprhythmus haben, im Galopp zulegen und zurückreiten können. Und natürlich auch in der Lage sein, das Pferd jederzeit durchzuparieren.

Ein Tipp: Am Anfang empfiehlt es sich, den unerfahrenen Spring-Reiter auf ein routiniertes Spring-Pferd zu setzten, welches auch mal einen Reiterfehler verzeiht. Ein „Greenhorn“ lernt selten von einem anderen „Greenhorn“, wobei es natürlich auch hier Ausnahmen gibt, wenn Pferd und Reiter genügend Talent, Ehrgeiz und jede Menge Geduld mitbringen.

Der leichte Sitz (Springsitz)

Gesprungen wird im leichten Sitz. Damit der Reiter die Beine etwas mehr anwinkeln kann, müssen die Bügel dafür zwei Loch kürzer geschnallt werden. Im leichten Sitz kann sich der Reiter schneller den Bewegungen des Pferdes anpassen als im gestreckten Grundsitz. Das ist wichtig, damit man, über und nach dem Sprung, stets in der Bewegung des Pferdes bleibt, sprich es nicht im Gleichgewicht stört. Dadurch, dass der Reiter nicht mehr schwer im Sattel einsitzt, macht er es dem Pferd leichter, seinen Rücken über dem Sprung aufzuwölben. Der Reiter steht leicht im Sattel, so dass zwischen dem Gesäß und dem Sattel ein „Luftkissen“ ist. Das Gesäß kommt etwas weiter nach hinten, den Oberkörper neigt der Reiter aus der Hüfte heraus leicht vor. Das Reitergewicht wird vermehrt von Oberschenkel, Knie und Absatz getragen. Der Rücken muss dabei gerade bleiben. Die Hand geht gefühlvoll in Richtung Pferdemaul vor. Der Blick ist geradeaus gerichtet. Grundlage dabei ist eine gedachte senkrechte Linie, die sich durch Schulter, Knie, Wade und Fuß des Reiters zieht. Alle Bewegungen werden über das Knie- und Fußgelenk abgefedert, ähnlich wie beim Skifahren auf der Buckelpiste. Der feste Knieschluss gibt dem Reiter die nötige Sicherheit. Soll das Pferd nach dem Sprung wieder zurück kommen, sprich langsamer werden und sich wieder vermehrt auf die Hinterhand setzen, richtet sich der Reiter wieder auf. Dabei kann das Gesäß auch im Sattel bleiben. Dann spricht man vom„Entlastungssitz“.

Erste Übungen

Sind die Grundlagen geschaffen und ist das Vertrauen zwischen Pferd und Reiter da, kann es mit den ersten Sprüngen auf gerader Linie über ein tief gestelltes Cavaletti los gehen. Das Pferd wird über dem niedrigen Cavaletti höchstens einen vergrößerten Galoppsprung machen, so dass sich der Reiter an den leichten Sitz gewöhnen kann. Durch das gleichmäßßige Galoppieren bekommt er zudem ein Gefühl für die Länge des Galoppsprungs seines Pferdes. Wichtig ist, dass der Reiter das Cavaletti schon am Anfang von beiden Seiten immer mittig anreitet und auch nach dem Sprung erst einmal weiter geradeaus reitet und dann zum Trab und Schritt durchpariert. Handwechsel sind wichtig, um die Arbeit für das Pferd nicht langweilig werden zu lassen. Klappt die übung, kann das Cavaletti auf die höchste Stufe gedreht und alles wiederholt werden.

Die nächste „Hürde“ bilden zwei niedrige aufgestellte Cavalettis auf gerader Linie in rund 19-20 Meter Entfernung. Wenn man davon ausgeht, dass ein durchschnittlicher Galoppsprung rund 3,50 Meter groß ist und man für Absprung und Landephase einen Galoppsprung dazu rechnet, ergibt sich eine normale Distanz, die auf 5 Galoppsprünge zu reiten ist. Um sich in den gleichmäßigen Rhythmus des Pferdes einzufühlen, ist es schon am Anfang gut, die Galoppsprünge zwischen den Cavalettis zu zählen. Bleiben Pferd und Reiter auch hier im guten Rhythmus, kann das Cavaletti auf die höchste Stufe gestellt und die Übung wiederholt werden. Denn Pferd und Reiter lernen am besten durch Abwechslung und Wiederholungen, so wird der Bewegungsablauf trainiert und automatisiert.

Ein Tipp: Die Übung der zwei auf gerader Linie aufgestellten Cavalettis in 19 bis 20 Meter Entfernung eignet sich auch sehr gut für fortgeschrittene Reiter, die ein Gefühl für den Galoppsprung ihres Pferdes entwickeln wollen. Sie können zudem ausprobieren, welches Grundtempo sie benötigen, um dieselbe Distanz auf 4 oder 6 Galoppsprünge zu reiten, das heißt, die Galoppsprünge zu vergrößern oder zu verkürzen.

Der Weg zum Erfolg: Üben, üben, üben!

Die wichtigsten Dinge, auf die der Reiter achten sollte, sind Sitz, Rhythmus, ein frisches, gleichmäßiges Grundtempo und ein vorausschauender Blick. Der Reiter muss beim Springen lernen, den optimalen Anreiteweg, sprich die optimale Linienführung zum Hindernis zu wählen. Hat er erst einmal ein Gefühl für die Länge der Galoppsprünge seines Pferdes entwickelt, kann er über das flüssige Grundtempo lernen, die passende Absprungdistanz einzuschätzen. Sieht der Reiter, ob die Distanz bis zum Absprung zu groß oder zu dicht wird, kann er reagieren und durch entsprechendes Verkürzen oder Verlängern der Galoppsprünge die optimale Absprungstelle finden.

Braucht man ein gutes Auge und großes Talent als Springreiter? Dazu schrieb Freiherr v. Langen in seinem Buch „Reiten über Hindernisse“ aus dem Jahre 1931:

 

„Je begabter und glücklicher veranlagt der Reiter von Natur aus ist, desto unmerklicher wird er durch Zulegen oder Verkürzen des Tempos die Galoppsprünge so einteilen, das die Vorderbeine des Pferdes beim Absprung an der günstigsten Stelle vor dem Hindernis stehen. Dies ist aber die Folge einer künstlerischen Begabung einzelner und darf daher nicht zur Verallgemeinerung für alle Springreiter führen. Das oberste Gesetz für alle, die nicht das Glück solcher Künstlerschaft besitzen, muss sein: Das Pferd machen lassen und höchstens durch Zulegen im Tempo d.h. durch Verlängerung der letzten Galoppsprünge einen früheren Absprung erzielen wollen, der immer besser ist als ein zu nahes Heranlaufen.“

 

Springreiter einmaleins:

  • Immer gerade auf die Mitte des Hindernisses zu reiten
  • Blick nach vorne richten
  • Nicht an den Zügeln festhalten
  • Beine vor dem Sprung zu machen
  • Zügel über dem Sprung nachgeben, damit sich das Pferd strecken kann
  • Sich von den Bewegungen des Pferdes mitnehmen lassen, nicht hinter der Bewegung bleiben und mit der Hand zurück wirken.
  • Frühzeitig dorthin schauen, wo man als nächstes hinreiten will
  • Für einen gleichmäßigen Rhythmus Galoppsprünge zählen.

Lese-Tipp: „Cavaletti Dressur und Springen – Erfolgreich trainieren mit Olympiareiterin Ingrid Klimke“, von Ingrid und Reiner Klimke, erschienen im Kosmos Verlag